Traumfabrik Harvard
Studienjahren für Umweltfragen und Rassenintegration oder gegen die Todesstrafe
und häusliche Gewalt zu engagieren. Die meisten dieser Initiativen widmen sich Problemen der Armut und ihren Folgen, aber
eben nicht in theoretischen Analysen und Debatten, sondern mit konkreten Hilfsprogrammen und handfesten Maßnahmen. Ein paar
sind auf nationaler Ebene oder sogar international aktiv – wie etwa die christliche Organisation »Habitat for Humanity« (www.habitat.org)
mit ihrem Wohnungsbauprogramm für mittellose Familien –, aber bei den meisten stehen lokale Projekte im Vordergrund. Die Yale
Dwight Hall zum Beispiel, 1886 von
undergraduates
gegründet und bis heute eine selbständige, aber mit der Yale University eng verbundene Organisation, fungiert als Dach und
Portal für eine Fülle von Basisprojekten im Landkreis New Haven, in denen jährlich mehr als 3.000 Yalies aktiv mitarbeiten. 68
Colleges, die etwas auf sich halten, fördern solche »volunteer programs« nach besten Kräften. Wie neue Bauvorhaben, die Förderung
des Sport und die Verschönerung des Campus gehören sie mittlerweile zum Werkzeugkasten des strategischen Managements auch
kleinerer Einrichtungen, die ihr Profil liften und mehr Studienbewerber anziehen wollen (Keller 2004). Generell tun sich Colleges
in ihren Werbebriefen an Zwölftklässler gern damit hervor, dass sie ihren Studenten ein spezielles, hochwertiges »Collegeerlebnis«
liefern. Hat das »pampering« (verhätscheln) von Studienanfängern schon eine lange Tradition, fügt ihm das »competitive cuddling«
(Zemsky u.a. 2005) eine weitere Dimension hinzu, nämlich Angebote und organisierte Gelegenheiten, in denen Studenten ihre
soziale Verantwortungsfähigkeit unter Beweis stellen können. Neben sportlicher Ertüchtigung |154| und anspruchsvollen Lehrinhalten sind
services
zur dritten Säule im Programm einer vollwertigen
undergraduate experience
geworden, wie sie sie insbesondere elitäre Hochschulen vermitteln wollen: Erst praktisch demonstrierte
citizenship
macht aus den Halbfertigprodukten eines akademischen Studiums
well rounded persons
und
leaders
, die alle diese Einrichtungen hervorbringen wollen. So beginnt der Präsident von Yale sein Grußwort auf der Homepage der
Universität, sie sei bekannt für die »strength« ihres College, in dem die Studenten »learn to lead and serve not only through
a strong academic curriculum but also by participation in a host of extracurricular activities, from athletics to community
service«. 69 Knapper lassen sich Ziel und Weg einer anspruchsvollen Collegeausbildung kaum fassen.
Und das sind nicht nur leere Worte. Einerseits engagieren sich mehr als 80 Prozent aller Yalies in solchen
service-
Projekten – teils während des laufenden Semesterbetriebes, zum Beispiel in der Hausaufgabenhilfe, teils auch mehrere Wochen
oder Monate während der Sommerferien. Andererseits gibt es keinen Grund zu argwöhnen, dass sie lediglich blanker Opportunismus
dazu treibt. Überraschend viele Studenten legen einen ausgeprägten Idealismus und ein glaubhaftes Interesse am Gemeinwohl
an den Tag, und meistens sind es nicht die schlechteren, sondern die besten. So bewarben sich 2005 und 2006 jeweils mehr als
elf Prozent aller »seniors« (Studenten im vierten Studienjahr) der
ivy leagues
bei »Teach for America«, um nach ihrem Bachelorabschluss mindestens zwei Jahre lang als Lehrer in einer sozialen Brennpunktschule
zu arbeiten – für ein Jahresgehalt, das maximal zwei Drittel der Summe beträgt, die sie zuletzt an Studiengebühren bezahlen
mussten. Diese Organisation, 1990 von
ivy
league-Absolventen gegründet, entsendet inzwischen jährlich knapp 3.000 Junglehrer an öffentliche Schulen in amerikanische
Großstädte und wird von Bewerbern aus den
selective schools
regelrecht überrannt. 70 Trotz mancher berechtigter Kritik gilt die Initiative inzwischen unwidersprochen als seit Jahrzehnten wichtigster Beitrag
zur Verbesserung der desolaten Lage in den verarmten und oft gewalttätigen »inner city schools« der USA. Die Betonung bürgerschaftlichen
Engagements und die Pflege der Idee vom
service
an den Colleges haben einiges dazu beigetragen. Großes Geld verdienen steht jedenfalls für eine bemerkenswert große Zahl von
Elite-Studenten nicht an oberster Stelle ihrer persönlichen Wünsche und Werteskala – und das widerspricht allen Klischees,
die man sich von ihnen
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