Traumfaenger
knapp über den Waldboden schwebten und das Licht des Vollmondes ließen die ganze Szenerie mystisch wirken. Ich sah nach oben und runzelte die Stirn.
»Wieso ist heute Nacht schon wieder Vollmond?«, erkundigte ich mich.
»Weil hier immer Vollmond ist«, antwortete Matt und packte alle brauchbaren Gegenstände zurück in den Rucksack.
»Ist im Traumwald immer Nacht?«, wollte ich wissen. Er sah auf und lächelte.
»Nein, du warst nur immer hier, während es Nacht war, weil das auch die Zeit war, in der du geträumt hast.« Ich nickte und versuchte mir vorzustellen, wie die ganze Umgebung wohl bei Tageslicht aussehen würde. Sicherlich wirkte es dann nicht mehr so bedrohlich, wie jetzt gerade. Irgendwo in weiter Ferne erklang ein Heulen und ich sprang erschrocken auf.
»Was war das?« Matt hielt inne und lauschte.
»Das müsste ein Wolf sein«, antwortete er knapp. Ich trat etwas näher zu ihm und sah mich verängstigt um.
»Hier gibt es Wölfe?«
»Nicht nur Wölfe«, erklärte er. Bei dem Gedanken an Wölfe und andere Kreaturen stellten sich mir die Nackenhaare auf.
»Was machen wir, wenn sie hierher kommen?« Meine Stimme klang jetzt leise und ängstlich.
»Das werden sie nicht«, versicherte mir Matt. »Sie bleiben immer in ihrem Gebiet. Aber unser Weg führt uns direkt durch ihr Revier.« Er nahm das Zelt und das Tarnnetz, das ich eingepackt hatte, und betrachtete beides. »Das hier mitzunehmen war eine gute Idee«, lobte er mich.
Ich sah auf das Zelt in seinen Händen und versuchte nicht an das Heulen und die Wölfe zu denken.
»Das Netz wirft man über das Zelt, wenn es aufgebaut ist. Steckt man dann noch einige echte Zweige hinein, kann man es im Wald kaum erkennen. Außerdem ist der Zeltstoff blickdicht. Man kann also im Inneren eine Lampe brennen lassen, ohne dass man es von draußen sieht«, erklärte ich stolz. Matt nickte anerkennend.
»Dann sollten wir den Schutz der Dunkelheit nutzen und uns jetzt auf den Weg machen«, verkündete er.
»Wohin gehen wir?« Matt deutete in die Richtung vor sich.
»Nach Süden. Ich habe den größten Teil der Strecke schon einmal bewältigt und weiß, worauf wir zu achten haben. Morgen Abend sollten wir Ingrids Hütte erreicht haben und dort werden wir dann übernachten.«
»Ingrids Hütte? Was oder wer ist das?«
»Ein Überbleibsel aus einem der Träume. Ingrid ist eine Art Waldfee. Ursprünglich hieß sie Ingwia, aber weil sich niemand diesen Namen merken konnte, wurde sie bald nur noch Ingrid genannt.«
»Was ist ein Überbleibsel aus einem der Träume und wie bitte muss ich mir eine Waldfee vorstellen? Ist sie so groß wie meine Hand und hat glitzernde Flügel, mit denen sie den ganzen Tag durch den Wald schwirrt?«
Ich musste automatisch an die Märchen denken, die meine Großmutter mir erzählt hatte, als ich noch klein war. Dort tauchten auch immer wieder Feen oder Elfen auf.
Matt lachte und strich mir eine Haarsträhne hinter das Ohr.
»Ingrid ist nicht von einem Menschen zu unterscheiden und sie hat ganz gewiss keine Flügel. Eine Waldfee hat einen besonderen Bezug zur Natur und zieht ihre Kraft auch aus dieser. Ingrid weiß sehr viel über diese Welt und kann uns diesbezüglich sehr nützlich sein«, informierte er mich.
»Und das Überbleibsel?«, hakte ich nach.
»Früher, bevor jemand den Traumwald zu diesem düsteren Ort gemacht hat, um so an unschuldige Seelen zu kommen, erschufen die Menschen in ihren Träumen die verschiedensten Wesen. Ingrid ist ein solches Traumgebilde. In dem Moment, in dem sich hier plötzlich alles veränderte, war sie gerade Mittelpunkt eines Traumes. Auch der Mensch, dessen Phantasie Ingrid ihre Existenz zu verdanken hatte, befand sich zu diesem Zeitpunkt hier. Er wurde, wie viele andere auch, Opfer der Seelenfresser und starb im realen Leben. Ingrid jedoch steckte in dieser Welt fest, da ihr Erschaffer niemals mehr aufwachte. Ich habe Hunderte solcher Traumgebilde kennengelernt«, teilte Matt mir mit.
»Sie ist also eigentlich nur eine menschliche Einbildung?«, wollte ich wissen.
»Ja, genau. Früher war dieser Wald ein Ort, wo alle Menschen ihre Wünsche und Ängste ausleben konnten, während sie schliefen. Alles, was sie sich vorstellten, wurde hier wahr. Wer auch immer die Traumwelt an sich gerissen hat, hat dafür gesorgt, dass dies nun nicht mehr möglich ist. Mittlerweile kommen nur noch Seelen an diesen Ort, die sich nicht wehren können.«
»Zum Beispiel ein Mensch, der im Koma liegt«, bemerkte
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