Traumfrau (German Edition)
mir holen kommen, sooft ich nur ...”
Günther Ichtenhagen deckte den Tisch weiter, als sei dies ein ganz normales Gespräch. Er wollte für Mary und sich das Frühstück vorbereiten und sie dann herunterbitten. Jedes Mal, wenn er ein Messer berührte, wich Hans Wirbitzki einen Schritt zurück.
Er hat Angst, dachte Günther Ichtenhagen, er hat Angst vor mir. Er traut mir zu, dass ich mit dem Messer auf ihn losgehe. Das ist gut so. Je mehr Angst er hat, um so leichter wird es für mich.
„Ich geb dir das Doppelte, Hans, dann hältst du für immer den Mund. Und betrittst mein Haus bitte nie wieder.”
„Warum willst du sie plötzlich für dich allein, Günther? Sie reicht für uns alle. Es hat sie sowieso längst jeder gehabt ...”
Günther Ichtenhagens Hand krampfte sich um das Messer.
„Ihr macht’s nichts aus, Günther. Ich versteh deinen Sinneswandel nicht. Wir sind Skatbrüder. Es sollte alles so bleiben, wie es mal war. Nur einfach ein bisschen schöner werden, mehr wollten wir nicht. Wir wollten nur unseren Spaß haben. Ja, es ging um ein bisschen zusätzliches Vergnügen, um das, was uns unsere Frauen nicht gönnen, jetzt mach nicht so eine Staatsaffäre daraus!”
Plötzlich kam Martin Schöller mit wirren Haaren und nach Fusel stinkend aus Marys Zimmer. Überrascht sahen Hans Wirbitzki und Günther Ichtenhagen die Treppe hinauf. Martin Schöller hatte kein Gespür für die bedrohliche Situation. Was er zu sagen hatte, machte alles andere unwichtig. Ohne jemanden zu Wort kommen zu lassen, knurrte er: „Ihr steht hier rum und quatscht. Wolfhardt hat sie freigelassen.”
„Was?”
„Wolfhardt hat sie freigelassen!”
Um den Männern begreiflich zu machen, was passiert war, wies Martin Schöller hinter sich in Marys leeres Zimmer.
Um überhaupt etwas zu tun, wollte Hans Wirbitzki sich eine Zigarre anzünden. Aber er fasste sie zu hart an, so dass das Deckblatt brach. Das passierte ihm öfter. Normalerweise leckte er dann so lange über die verletzte Zigarrenhaut, bis sich die Wunde schloss. Jetzt zerquetschte er den trockenen Stumpen knisternd zwischen seinen Fingern wie ein lästiges, kampfmüdes Insekt.
Langsam erhob Günther Ichtenhagen das stumpfe Messer und löste sich vom Frühstückstisch. „Befreit? Gekidnappt! Ihr habt sie entführt, ihr Schweine! Und jetzt wollt ihr mir erzählen, sie sei mir weggelaufen! Niemand konnte sie befreien, denn sie durfte kommen und gehen, wann immer sie wollte. Ich habe sie nicht daran gehindert, ihr wart es. Ihr habt sie entführt, weil ihr nicht ertragen könnt, dass wir uns lieben!”
Martin Schöller stieg langsam die Treppe hinunter, auf Günther Ichtenhagen zu. Einen Moment lang hatte Hans Wirbitzki das Messer in Günthers Hand als gefährlich empfunden, obwohl er wusste, dass es nur zum Bestreichen von Broten diente. Aber Ichtenhagens Worte stempelten ihn zu einem kindlichen Idioten. Vor so einem hatte er keine Angst. Hans Wirbitzki nahm sich ein Brötchen vom Tisch, riss es auseinander, stippte eine Hälfte in die Erdbeermarmelade und lutschte die Marmelade mit lauten Geräuschen genüsslich ab, während er beobachtete, wie Martin Schöller und Günther Ichtenhagen aufeinander zugingen.
Hans Wirbitzki hatte im Gefängnis genügend Prügeleien miterlebt. Er ahnte, wie es weitergehen würde. Von der Treppe aus konnte Martin Schöller seinem ehemaligen Lehrer mühelos mitten ins Gesicht treten. Geh nur näher, dachte Hans Wirbitzki, geh nur. Gleich lernst du etwas fürs Leben.
63
Punkt zwölf Uhr, mit dem Schlagen der Kirchenglocken, rollte der Mittagszug von Köln in Weierstadt ein.
Nur ein Passagier stieg aus: Mary. Sie blickte sich ein bisschen orientierungslos um, lief dann aber schnurstracks zum Taxistand.
Rolf Schulz fuhr sie gern nach Ichtenhagen. Er hatte von seinen freien Mitarbeitern bereits gehört, dass in Ichtenhagen neuerdings asiatische Schönheiten nicht nur im Club ein, und aus gingen.
Um die neue Lage in Ruhe zu überdenken, wollte Martin Schöller sich für eine halbe Stunde auf die Sonnenbank legen.
Auf dem Weg zu seinem Studio sah er Mary im Taxi an sich vorbeifahren. Mein Gott, muss die blöd sein, dachte er, die fährt tatsächlich zu ihm zurück.
An der Theke im Center, einen Eiweißdrink in der Hand, saß Udo Tiedemann und riss einen Witz, dessen Pointe Martin uralt vorkam, obwohl er den Witz gar nicht kannte.
Die beiden begrüßten sich wie alte Freunde, und Udo spielte auf Martins miese Laune an, als er
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