Traumfrau (German Edition)
Knaller werden. Ich könnte auch mehr Geld dafür nehmen. Solche Extravaganzen kriegt man schließlich nicht umsonst.
Helmut Schmidthausen sprach weiter, doch Martin Schöller hörte nicht mehr zu. Völlig in Gedanken versunken spielte er seine Möglichkeiten durch. Taubstumme Mädchen gibt’s ja nicht wie Sand am Meer, grübelte er. Wie komme ich an sie ran? Eine Annonce in einer Tageszeitung in Bangkok?
Die Wirtin brachte unaufgefordert zwei frische Bier und strich sie auf Martins Deckel an. In dem Moment hatte er die Grundlage für seine neue Geschäftsidee gefunden.
Martins breites Grinsen löste sich in schulbubenhaftes Gekichere auf. Bald schüttelte dann das Lachen seinen ganzen Körper. Die gute Laune machte ihn schneller besoffen als das Bier. Er leerte sein Glas mit einem Zug. Griff in die Hosentasche und vergewisserte sich, dass sein dickes Geldbündel noch immer zusammengerollt dort ruhte.
Damit werde ich nach Bangkok fliegen, dachte er. Dort gibt es garantiert Heime für taubstumme Mädchen. Das ist die Idee überhaupt. Ich werde die Taubstummenheime besuchen und den armen Geschöpfen dort eine neue Chance bieten: eine Lebensperspektive! Eine Ehe mit einem deutschen Mann. Sie kriegen in Thailand bestimmt keinen ab. Die Eltern werden froh sein, sie loszuwerden, und die Heime auch. Schließlich verursachen solche Frauen doch enorme Kosten. Ich erlöse damit die Familien und die Heime von ihren Verpflichtungen. Man wird mir dankbar sein. Dort werde ich zum Wohltäter und Helden und hier zum reichen Mann. Wenn ich es geschickt anstelle, kriege ich vor Ort bestimmt noch Zuschüsse von den Kirchen oder Gemeinden für jede Frau, die ich ihnen abnehme.
Er rieb sich die Hände, klopfte seinem Gegenüber auf die Schulter und sagte: „Sie sind ein feiner Kerl. Wirklich. Sie haben mich auf eine großartige Idee gebracht. Und Sie kriegen Ihre Taubstumme. Das versprech ich Ihnen. Allerdings ist sie nicht so billig wie die andern. Für eine Taubstumme müssen Sie schon noch fünftausend drauflegen.”
Helmut Schmidthausen schluckte zwar schwer, war aber sofort bereit zu zahlen. „Dafür will ich dann aber auch eine Jungfrau haben”, kartete er nach.
Martin Schöller nahm die Bitte nur zu gern auf. „Das kostet nochmal einen Riesen extra. Jungfrauen werden immer seltener. Nicht nur in Europa.”
„Eigentlich ... eigentlich will ich gar keine Jungfrau. Eigentlich...”
„Was wollen Sie eigentlich?”
Schmidthausen stotterte plötzlich, seine Augäpfel traten hervor, der Hals schwoll rot an, die Nasenflügel blähten sich auf, doch er konnte seinen Wunsch nicht äußern. Voller Spannung half Martin Schöller ihm auf die Sprünge:
„Wenn Sie mir nicht sagen, was Sie wollen, werden Sie nie bekommen, wovon Sie träumen. Dies ist der Moment, alles herauszuschreien. Ich liefere genau nach Wunsch. Ich bin zwar teurer als die anderen. Aber ich erfülle auch alle Wünsche. Also los!”
Helmut Schmidthausen trank noch einen Schluck und stotterte: „Ich ... ich ... ich möchte eine, die frigide ist.”
Martin Schöller lachte. „Das ist ein Scherz, oder? Alle wollen ein kleines, geiles Luder und Sie eine, der es keinen Spaß macht?”
„Hm. – Ich find’s eben toll, wenn ich spür, dass sie es nicht will. Verstehen Sie? Wenn sie Lust hat, vergeht meine.”
Martin Schöller klatschte mit der flachen Hand auf den Tisch.
In seiner fröhlichen Betrunkenheit war er viel zu laut. Helmut Schmidthausen wurde das Gespräch unangenehm.
„Aha, so einer sind Sie! Es geilt Sie auf, wenn sie den Kopf schüttelt und ,Nein, nein!’ bettelt!”
„Pscht!”
Mit einer wegwerfenden Handbewegung zu den anderen Gästen hin, deren Hälse sich neugierig hochreckten, triumphierte Martin Schöller: „Ach was, lassen Sie die nur glotzen! Die sind bloß zu feige, ihre eigenen Wünsche herauszulassen.”
Jetzt nahm Martin Schöller sich die Freiheit, seinen Kunden einfach zu duzen.
„Du willst eine, die keine Freude daran hat! Du sollst sie kriegen, ohne Aufpreis! Davon laufen nämlich Tausende rum.”
Als Martin Schöller sturzbetrunken gegen zwei Uhr morgens das Lokal verließ und in der Hoffnung zum Weierstädter Bahnhof wankte, dort in der Bahnhofskneipe noch einen letzten Schlummertrunk und ein Taxi zu bekommen, stand er plötzlich vor Wolfhardt Pauls Trecker.
Wolfhardts Prophezeiung „Ich werde sie befreien” echote so laut in Martin Schöllers Gehirn, dass er herumfuhr, weil er Wolfhardt Paul hinter sich
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