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Traumfrau (German Edition)

Traumfrau (German Edition)

Titel: Traumfrau (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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vermutete. Doch Wolfhardt war nicht da. Er saß in Köln auf einer Bank am Gleis fünf, völlig erschöpft und sterbensmüde. Neben ihm kauerte Mary und kämpfte gegen den Schlaf.
    Mit einem einzigen Blick sah Martin Schöller, dass die Bahnhofskneipe bereits geschlossen hatte. Am Eingang parkte noch ein Taxi, aber es saß kein Fahrer mehr darin. Martin Schöller wollte plötzlich gar kein Taxi mehr. Trotzig setzte er sich auf den Trecker. Jetzt sah er das Beil.
    Zum ersten Mal in meinem Leben, Wolfi, hab ich was und bin ich wer. Ich lass mir das nicht von dir kaputtmachen. Ich fang gerade erst an. Ihr macht kein kleines Döfchen mehr aus mir, das froh sein darf, im Skatclub der alten Männer mitspielen zu dürfen, obwohl es doch im Leben noch nichts geleistet hat. Ich krieg euch alle. Das ganze Dorf, und dann zahl ich euch’s heim. Jede einzelne kleine Demütigung. Nichts habe ich vergessen und nichts verziehen. Gerade dir nicht, du blöder Bauer. Du hast zugesehen, wie deine Tochter mit Udo Tiedemann ging, statt mit mir. Du hast sie ihm erst richtig in die Arme getrieben, jawohl! Meinst du, sie hat nicht gemerkt, mit welcher Mischung aus Abscheu und Respekt du den angesehen hast? Er war immer das wilde Schwein, der Unberechenbare, ein Desperado, dem du jede Schlechtigkeit, aber auch jede Heldentat zugetraut hast. Ich dagegen, ich war nur ein braver Junge. Mamis Liebling! Ich war der, der immer seinen Teller brav leer aß. Gelobt und gehätschelt, aber von keinem ernst genommen. Das hat Helga gespürt. Genau das und es hat sie in Udos Arme getrieben. Sie wollte kein braves Muttersöhnchen. Sie wollte einen richtigen Kerl. Du hast alles verbockt. Du und Mutter und Günther mit seiner scheiß Erziehung zum mündigen Staatsbürger ... Aber wehe, wenn wir mal aufmuckten, wenn wir wirklich mal protestierten, zum Beispiel gegen ihn. Dann war Feierabend mit der Demokratie. Ich werde es euch heimzahlen! Euch allen. Ich hab euch schon längst an der Leine. Glaub nicht, dass du noch davon loskommst. Gerade du nicht. Ich werd schon dafür sorgen, dass du sie bumst. Und danach geht’s dir schlecht. Das weiß ich. Und du weißt es auch.
    Plötzlich wusste Martin Schöller nicht mehr wohin mit seinem Zorn. Die Rachepläne waren ihm nicht genug. Er wollte sich bewegen, zerstören. Krach machen. Spüren, wie etwas in die Brüche ging. Er nahm die Axt, sprang vom Trecker und zertrümmerte mit zwei Hieben die vorderen Scheinwerfer. Es tat gut, das Glas zerspringen zu hören. Mit dem nächsten Hieb wollte Martin einen der großen Reifen platzen lassen, doch die Axt federte nur zurück und richtete nichts weiter aus. Das steigerte seine Wut nur.
    Er zerfetzte den Sitz und zertrümmerte den Kühler. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite wurde ein Fenster geöffnet. Ein Mann im Nachthemd sah heraus.
    „Wenn du Streit suchst, bist du hier richtig!”, brüllte Martin Schöller. „Komm runter, damit ich dir den Schädel einschlagen kann!”
    Sofort verschwand der Mann wieder in seinem Zimmer und löschte das verräterische Licht.
    Auch in der nächsten Viertelstunde kam die Polizei nicht. Martin Schöller ließ die Axt achtlos fallen und ging zum Haus des Taxiunternehmers Rolf Schulz. Martin klingelte so lange, bis Rolf Schulz persönlich öffnete und ihn anbrüllte: „Wissen Sie, wie spät es ist? Sind Sie wahnsinnig?”
    „Ich brauch ein Taxi.”
    „Wir fahren nur bis eins, höchstens halb zwei, jetzt ist es fast halb drei. Unsereins will auch mal schlafen. Hier in Weierstadt lohnt es sich nicht, den Fahrbetrieb vierundzwanzig Stunden lang aufrecht zu erhalten.”
    Martin zog sein Geldbündel aus der Tasche, pellte einen Hunderter von der Rolle und hielt ihn Rolf Schulz hin.
    „Reicht das?”
    Wütend schüttelte Rolf Schulz den Kopf. „Für Geld kann man nicht alles kaufen, junger Mann!”, brüllte er und knallte die Tür zu.
    Martin Schöller machte sich zu Fuß auf den Heimweg.

61
    Im Morgengrauen fielen Marys Augen zu. Trotz der kreischenden Geräusche einlaufender Züge schreckte sie nicht mehr hoch. Sie lehnte ihren Kopf an Wolfhardt Pauls Schulter, hielt seinen Oberarm mit beiden Händen fest und schlief tief ein.
    Eigentlich fühlte er sich prächtig, so wie sie schlafend an ihn gekuschelt neben ihm saß. Uschi hatte das nie getan, nur Helga manchmal, als sie noch klein war.
    Doch er konnte es nicht genießen, denn er fror, fühlte sich zittrig und klapprig, hatte Hunger, Durst, war müde und mindestens zwanzig

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