Traumfrau (German Edition)
Verkaufsflaschen gewesen. Eine trank sie selbst, als sie einsah, dass sich diese Dinger nicht verkaufen würden. Es schmeckte ihr nicht. Eine Flasche verschenkte sie an Frau Sendlmayr zum Sechzigsten. Eine an Wolfhardt Paul und Uschi zur silbernen Hochzeit. Martin Schöller erschien ihr merkwürdig aufgeräumt, er zwinkerte ihr sogar zu und bat, anschreiben lassen zu dürfen.
Irritiert durch den Sektverkauf stimmte sie diesem Wunsch zu. Hinterher ärgerte sie sich darüber, weil sie nicht damit rechnete, jemals das Geld von Martin zu bekommen. Wahrscheinlich musste sie erst seine Mutter beim nächsten Einkauf darauf ansprechen, und das war ihr unangenehm. Martin war für sie immer noch ein Kind. Und an Kinder verkaufte sie nichts auf Kredit. Wie sah das aus, wenn die Eltern in den Laden kamen, um ihre Lebensmittel einzukaufen und dann die Bonbons und Limonadenflaschen ihrer Kinder bezahlen mussten, für die diese keine Genehmigung hatten? Wenn sie wollten, dass die Kinder sich mit Süßigkeiten eindeckten, gaben sie ihnen auch Geld. Vor Jahren hatte es deswegen einmal Knatsch gegeben. Seitdem war sie rigoros.
Nun redete sie sich ein, Martin sei mit sechsundzwanzig Jahren schließlich schon erwachsen. Zu ihrer Erleichterung erschien er am anderen Morgen und zahlte mit einem Hunderter, den er von einem dicken blauen Bündel pellte. Am gleichen Morgen turnte, ein bisschen nervös, der Pächter von Udo Tiedemanns Haus in den Laden. Vom Club hatte sich noch nie jemand bei Seglers sehen lassen. Sie starrte ihn an wie ein Wesen aus einer anderen Welt und behandelte ihn mit einer Mischung aus Angst, Respekt und Wohlwollen. Er kaufte ihr die Käse- und Brottheke leer. Zum Abschluss nahm er noch eine armdicke ungarische Luftgetrocknete. Nein, nicht ein Viertel, die ganze Wurst. Er maulte Sätze wie „Besuch gehabt, der über Nacht blieb”, „echte Sause”, „hat sich tierisch gelohnt”. Schon im Gehen blieb er stehen, drehte sich noch einmal um, zeigte auf die zwei Sektflaschen und grinste: „Zwar nicht meine Hausmarke, aber besser als Sprudel zum Frühstück. Die haben gestern tatsächlich abgeräumt. Und so ein Tröpfchen pusht doch ganz schön.”
Sie holte eine Flasche aus dem Regal, wischte sie ab und wollte sie in Papier einrollen. Er schüttelte den Kopf. „Nicht nötig.”
Betont freundlich, geradezu übereifrig, zählte sie das Wechselgeld auf die Theke und wünschte einen guten Heimweg. Sie verließ sogar ihre Stellung hinter der Theke, um ihm die Tür zu öffnen. Wann ließ bei ihr schon mal einer fast hundert Mark?
Zwei Sektflaschen an einem Morgen! Ein denkwürdiger Tag.
Sie summte die Titelmelodie vom Tatort. Sie beschloss, Augen und Ohren offen zu halten und alles genau zu registrieren. Es ging etwas vor im Dorf. Und ihr Hermann hatte damit zu tun. Sie spürte es genau. Ständig gluckten die Männer zusammen. Sie soffen nicht mehr einfach so wie früher. Es ging nicht mehr nur ums Skatspielen. Es war unterschwellig etwas hinzugekommen, das ihr Angst machte, obwohl sie es nicht beim Namen nennen konnte. Sie musste aufpassen auf ihren Hermann. Er hatte einen Hang zu Gewalttätigkeiten. Neulich nachts hätte er sie am liebsten verprügelt und vergewaltigt. Vermutlich hatte er es in Gedanken sogar getan. Noch hatte er sich in der Gewalt. Noch gelang es ihm, den Schein des braven Ehemanns zu wahren. Aber seit sie vor fünf Jahren die schweinischen Magazine bei ihm gefunden hatte, traute sie ihm alles zu.
Er ahnte nicht, dass sie davon wusste. Er bewahrte diese Heftchen bei den Schlachtermessern auf. Bei seinem privaten Werkzeug. Er wusste, dass sie nie da dranging. Sie hatte eigene Küchenmesser. Er benutzte seine Schlachterutensilien höchstens mal, wenn er im Dorf bei einer Schlachtung half und sich so ein Zubrot verdiente. Auf einigen der Heftchen waren sogar Blutflecken. Wahrscheinlich sah er sich diese Bilder in der Metzgerei zwischen zwei Schlachtungen an. Seit ihrer Entdeckung beobachtete sie ihn genauer. Damals fiel ihr auf, dass er sich aus ihrem Illustriertenstander im Laden stets die Neuerscheinungen holte und sie manchmal sogar stehend durchblätterte. Er sah sich nur bestimmte Bilder an. Die nackten Mädchen. Die Reklame für Unterwäsche. Die Bildberichte über die Sitten der Naturvölker – garniert mit vielen nackten schwarzen Mädchen – verschlang er.
Mit dem Argument, die Illustrierten ließen sich ohnehin nicht verkaufen, bestellte sie damals das ganze Sortiment ab. Lediglich
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