Traumfrau (German Edition)
wie Mückenstiche.
„Wie willst du es ihr denn schicken? Sie hat nicht mal ein Konto.”
„Warum nicht?”
„Mensch, die ist eine stumme Kellnerin in einem Imbiss in Bangkok, nicht in einem Münchner Spezialitätenrestaurant, kapierst du das nicht? Das ist der andere Teil der Welt. Da hat nicht einfach jeder ein Bankkonto. Und eine Frau schon gar nicht. Wir können froh sein, dass Lothar Sommer das alles für uns und für sie regelt. Der weiß genau, wie man so etwas macht. Oder fällt dir was Besseres ein?”
Günther Ichtenhagen nickte. „Ja. Ich könnte hinfliegen und die Sache für Mary und mich vor Ort selbst klären.”
Martin Schöller schluckte. Er versuchte, aus Günther Ichtenhagens Gesicht abzulesen, ob er das ernst meinte oder nicht.
„Wenn du darauf bestehst, flieg ich hin und hol sie ab. Die finanzielle Seite müssten wir natürlich klären ...”, fing Martin Schöller verwirrt an.
Günther Ichtenhagen schüttelte den Kopf. Er wirkte plötzlich jugendlich, energiegeladen. „Oh nein. Wenn überhaupt einer hinfliegt, dann ich.”
„Du?”
„Natürlich. Ich bin ihr Mann. Nicht du.”
„Noch nicht, Günther. Wir bekommen sie zunächst vierzehn Tage zur Ansicht. Mit Geld-Zurück-Garantie. Ob wir sie nehmen oder nicht, entscheiden wir später.”
Ungehalten schimpfte Günter Ichtenhagen los: „Und wer soll das nach welchen Kriterien entscheiden? Immerhin soll sie meine Frau werden. Ich denke, wir haben uns gemeinsam auf Mary festgelegt. Noch weiter komme ich euch nicht entgegen. Wenn sie jetzt einem nicht passt, werde ich sie deswegen nicht zurückschicken.”
Martin Schöller war nicht länger auf dem Stuhl zu halten. Er stand auf und versicherte: „Keine Angst. Sie wird schon spuren. Sie weiß, dass es sonst wieder in Richtung Heimat geht.”
„Deine Sprache widert mich an!”, brüllte Günther Ichtenhagen. Martin Schöller zuckte zusammen. Für Bruchteile von Sekunden saß er wieder auf der Schulbank, und vor ihm stand der übermächtige Lehrer, der ihn durchschaute, seinen Schummelversuch entdeckt hatte und gleich die Strafe aussprechen würde. Hundertmal in Schönschrift: Ich darf meinen Lehrer nicht belügen.
Eine Gänsehaut zog sich von seinen Oberarmen bis über den Rücken. Der Juckreiz wurde so groß, dass er sich am liebsten augenblicklich unter Günther Ichtenhagens Dusche gestellt hätte.
Seine Körperhaltung signalisierte Harmlosigkeit, ja, Unterwerfung. Günther Ichtenhagen kannte diese Position zu gut. So standen Schüler vor ihm, die wussten, dass er wusste, dass sie abgeschrieben hatten. So baten sie nonverbal um Nachsicht.
„Ob sie die deutsche Küche beherrscht, weiß ich immer noch nicht.”
Es war zwar ein Vorwurf gegen Martin Schöller, aber gleichzeitig auch ein Angebot, das Thema zu wechseln und die Schärfe herauszunehmen.
Martin Schöller wog seine Sätze genau ab, bevor er sie aussprach. Zunächst wollte er vorschlagen, eine Art Probekochen zu veranstalten. Er sah sich gern in der Rolle des Schiedsrichters über Marys Arbeit. Gern würde er großzügig, wohlwollend beurteilen, was sie anzubieten hatte. Aber er fürchtete, so ein Vorschlag könnte Günther Ichtenhagen nur noch wütender machen. Deshalb sagte er so sachlich wie möglich:
„Falls dir dieses Thaizeug zu scharf ist, wird sie bestimmt bereit sein, die deutsche Küche zu erlernen. Ich könnte versuchen, ein deutsches Kochbuch in Thai zu besorgen, damit sie es auch lesen kann. Lothar Sommer vermittelt auch Frauen gegen einen kleinen Aufpreis, die bereits einen Kochkurs für deutsche Küche mitgemacht haben. Ich glaube, die deutsche Botschaft organisiert das für Lothar Sommer. Oder irgendein deutsch-thailändisches Kulturinstitut. Falls wir noch lange auf sie warten müssen, könnte sie die Zeit nutzen, um zu lernen, wie man einen ordentlichen Sauerbraten ...”
Günther Ichtenhagen hörte nicht mehr zu. Gedankenverloren saß er in seinem Fernsehsessel und starrte auf das kalte, abgeschaltete Gerät, als ob dort die erste Mondlandung übertragen werden würde.
Martin beschloss, ihn allein zu lassen. Er kämpfte mit sich. Zu gern wollte er ihm noch die Bestätigung abringen, dass er bereit sei, die dreitausendsechshundert Mark ebenfalls vorzustrecken. Aber Günther Ichtenhagen war nicht mehr ansprechbar.
Er verbrachte eine schlaflose Nacht, gepeinigt von der Ahnung, betrogen zu werden. Aber die Vorstellung, dass Mary bald bei ihm einziehen würde, beseitigte immer wieder alle Bedenken.
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