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Traumfrau (German Edition)

Traumfrau (German Edition)

Titel: Traumfrau (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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zwei Modezeitschriften behielt sie seitdem im Angebot.

24
    Hans Wirbitzki versuchte, Uschi Paul zu treffen. Er wollte ihr in einer unverfänglichen Situation begegnen, ihr klar in die Augen sehen, um rauszukriegen, ob sie etwas ahnte. Hatte sie den Brief vom Erotikshop erkannt? Er hoffte, alles würde undramatisch verlaufen. Wie er reagieren sollte, wenn sie ihn angrinsen würde und eine bissige Bemerkung auf den Lippen hätte, wusste er nicht. Er wollte nicht warten, bis sie das nächste Mal Post austrug. Er musste sie vorher treffen. Seine Unruhe wurde übermächtig. Er beschloss, einen Brief zu schreiben oder eine Postkarte und damit zur Post zugehen. Zwar hatte sie offiziell nicht mehr geöffnet, doch die Schalterstunden galten im Dorf überhaupt nichts. Niemand richtete sich danach. Uschi Paul war für alle die Personifizierung der Post. Da sie auch außerhalb der Schalterstunden in ihrem Haus saß und mit ihrer Fressgier kämpfte, konnte man ihr die Post bringen, wann man wollte. Meist gab es sogar ein Pläuschchen und ein Täschen Kaffee.
    Hans Wirbitzki wusste niemanden, dem er hätte schreiben können. Seine alten Freunde aus dem Ruhrgebiet, die Kumpels aus alten Tagen, wollten nichts mehr von ihm wissen. Für die meisten war er einfach gestorben; sie versuchten, ihn zu vergessen, und einige hassten ihn jetzt geradezu. Nicht einmal im Knast hatte er Kumpels gewonnen. Einer wie er war auch dort der letzte Dreck. Ein Kinderschänder. Ja, wenn er erwachsene Frauen vergewaltigt hätte – das galt dort als Kavaliersdelikt. Aber kleine Mädchen zu verführen – dafür hatten die Knackis nichts übrig. Zumindest nicht die in seinem Trakt.
    Er musste bitter grinsen bei dem Gedanken, dass seine einzigen Freunde in Ichtenhagen wohnten. Aber er konnte schlecht eine Postkarte an Hermann Segler oder Günther Ichtenhagen schreiben. Um die Post zu bemühen, musste man wenigstens einen Bekannten in der Kreisstadt haben.
    So sehr er auch nachdachte, ihm fiel niemand ein. Ichtenhagen war für ihn zum Schneckenhaus geworden. Nie zuvor war ihm das so klar geworden.
    Lustlos blätterte er in einer alten Illustrierten. Er suchte die Annoncen ab. Es musste irgendwo jemanden geben, dem er schreiben konnte!
    Da. Das war es:
    Nervös? Angstzustände? Leistungsdruck?
    Schlafstörungen? Prüfungsangst?
    ELAN Naturheilmittel
    Nicht apothekenpflichtig
    Fünfzig Kapseln DM 39,80
    Er schnitt die Annonce aus, legte sie in einen Briefumschlag, adressierte ihn an die Firma und trug den Brief aufgeregt zur Post.
    Jeder Schritt schmerzte in seiner Brust. Was, wenn sie alles wusste?
    Vielleicht, dachte er, kann ich die Pillen wirklich gut gebrauchen. Jetzt zum Beispiel, jetzt könnte ich glatt ein paar von diesen Kapseln einwerfen.
    Er schaffte es zu klingeln. Es war eine Heldentat.
    Er hörte Uschis schweren Schritt. Sie öffnete schnaufend. Wie immer, wenn sie allein im Haus war, trug sie nur einen Kittel. Die schweren Mieder, den Drück-mir-den-Speck-weg-Panzer, ertrug sie nur während der offiziellen Schalterstunden oder bei den wenigen Anlässen, zu denen sie sich in der Öffentlichkeit sehen ließ. Einladungen, Geburtstagsfeiern und so weiter.
    Hans Wirbitzki hatte sie bisher nur geschnürt gesehen. So quallig und unförmig kannte er sie nicht. Einen größeren Kittel gab es bestimmt nicht zu kaufen. Trotzdem spannte er vor ihrem Bauch. In der Mitte stand ein Knopf offen. Dort lagen schweißnasse Bauchfalten lappig übereinander, schutzlos Hans Wirbitzkis Blick ausgeliefert.
    Im gleichen Moment wusste er: Sie hatte nichts bemerkt. Es war ihr entgangen. Sie brauchte viel zu viel Aufmerksamkeit, um mit sich selbst fertig zu werden, mit ihrem Fressproblem und ihrem Hass auf den eigenen Körper.
    Sie versuchte ihn so schnell wie möglich loszuwerden. Er gab ihr den Brief und die achtzig Pfennig, sie errötete, versuchte, unauffällig den Knopf zu schließen, merkte, dass er dorthin starrte und errötete immer mehr. Als er wieder auf der Straße war, hüpfte er wie ein fröhlicher Schuljunge. Er glaubte, dass sie noch viel schlimmer dran war als er. Und plötzlich dachte er: Selbst wenn sie etwas gemerkt hätte, was wäre schon dabei gewesen? Eigentlich kann es mir egal sein. Mein Leben ist eh verpfuscht und versaut. Ich kann nur noch versuchen, ein bisschen für mich herauszuholen. Ein bisschen mehr, als mir dieses Ichtenhagen bisher zu bieten hatte.
    Er freute sich darauf, den Katalog vom Erotikshop noch einmal durchzublättern. Bis Hanne

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