Traumfrau (German Edition)
von der Arbeit kam, blieben ihm noch gut zwei Stunden.
25
Die täglich heftiger gestellte Frage: Wann kommt sie nun? wurde von ihrem ersten Brief kurzfristig verdrängt.
Dieser Brief, versehen mit einem Polaroidfoto, brachte einen Lichtblick in das zermürbende Warten. Die aufflackernde Freude von Günther Ichtenhagen konnte die Wut darüber, dass der Brief seiner zukünftigen Frau an ihn bereits von Martin Schöller aufgerissen und gelesen worden war, nicht verdecken. Martin empfand dabei nicht das geringste Unrechtsgefühl oder gar Scham. Im Gegenteil. Es war Zufall, dass er den Brief nicht zuerst Wolfhardt Paul oder Hermann Segler gezeigt hatte. Er kam an Günther Ichtenhagens Garten vorbei, als dieser versuchte, seinen langsam sumpfig werdenden Teich zu retten. Martin zog den aufgerissenen Briefumschlag aus der Jackentasche und winkte damit.
Wortreich erklärte er, der Brief sei ihm bei seinem erneuten Besuch in Lothar Sommers Agentur ausgehändigt worden. Die langen, sonst üblichen Postwege blieben ihnen erspart, weil ein Gewährsmann von Lothar Sommer den Brief zusammen mit anderen Unterlagen aus Bangkok von Mary direkt mitgebracht hatte. Deswegen auch keine gestempelten Briefmarken.
In dem Briefumschlag befand sich ein weißes betipptes Blatt Schreibmaschinenpapier mit Lothar Sommers Briefkopf und ein kleinerer Briefumschlag, nicht mit dem Daumen geöffnet wie der große, sondern fein säuberlich mit einem Messer aufgeschnitten. Darin Marys handschriftlicher Brief, auf Lothar Sommers Papier die Übersetzung.
„Warum guckst du so? Das ist doch nett von Herrn Sommer. Alle Post geht über ihn. Er lässt die Briefe direkt übersetzen und leitet sie weiter. Du kannst Mary auch gerne antworten, wenn du willst. Der Brief geht ebenfalls über ihn. Die Übersetzung ist übrigens kostenlos. Eine reine Serviceleistung.”
„Jaja, ich weiß.”
„Warum guckst du dann so sauer?”
„Sie schreibt, sie schuldet dem Kredithai für die Operation der Mutter nicht vierhundert Mark, sondern viertausend. Wir müssten ihr also noch mal dreitausendsechshundert Mark schicken, um sie endlich ...”
Martin Schöller spürte den Widerstand in Günther Ichtenhagen und wollte das Gespräch nicht über den Gartenzaun hinweg fortsetzen.
„Kann ich reinkommen?”
Günther Ichtenhagen nickte ihm zu und ging wortlos vor. Martin öffnete das Gartentor nicht. Er hechtete sportlich elegant über den Zaun und kaute, hinter Günther Ichtenhagen her trottend, auf der Unterlippe herum. Er durfte das Ding hier nicht verpatzen. Immerhin hatte sein Arbeitsverhältnis mit Lothar Sommer gerade erst begonnen. Es durfte nicht sofort durch einen Flop belastet werden.
Im Haus bot Günther Ichtenhagen ihm nichts an. Nicht einmal einen Stuhl. Martin ignorierte das und setzte sich trotzdem. Günther Ichtenhagen ging mit dem Kuvert in der Hand auf und ab. Er sah Martin nicht an. Seine nervösen Augen tasteten die Wände ab, als könne dort durch Geisterschrift eine Antwort auf seine Fragen erscheinen. Dann ging er ins Badezimmer, nahm einen Schluck klares Wasser, kehrte zu Martin Schöller zurück und beschwerte sich: „Von den anderen habe ich noch nichts zurück. Die ganzen dreitausend stehen noch aus. Und jetzt wieder dreisechs. Ich bin keine Kuh, die man ständig melken kann ...”
„Aber Günther, ich bitte dich. Im Grunde war das Ganze unsere Dummheit. Die Geschichte war uns ausführlich geschildert worden. Der Kredithai verlangte die halbe Ernte von ihren Eltern. Nur als Zins und Zinseszins. Da konnte es sich nicht um vierhundert Mark handeln. Sondern nur um viertausend. Das hätten wir uns denken können. Es handelte sich um einen reinen Übermittlungsfehler, aber mit ein wenig logischem Nachdenken hätten wir darauf stoßen müssen. Jetzt wollen wir nicht kleinlich sein, oder?”
„Von Wir kann wohl gar keine Rede sein. Es geht um mich, meine Frau und mein Geld.”
„Kannst du die dreisechs vorstrecken?”
„Natürlich kann ich das. Aber ich lass mich nicht gern übers Ohr hauen.”
„Glaubst du, dass sie dich anlügt? Oder denkst du etwa, dass ich ...”
Abwehrend hob Günther Ichtenhagen die Hände. „Ich glaube gar nichts. Ich habe nur ein ungutes Gefühl. Warum schicken wir ihr das Geld nicht direkt? Warum geht es immer über Lothar Sommer?”
Martin schuppte sich den Rücken unauffällig an der Lehne.
Auf das letzte Solarsonnenbad hatte seine Haut allergisch reagiert. Große rote Inseln auf seinem Rücken juckten
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