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Traumfrau (German Edition)

Traumfrau (German Edition)

Titel: Traumfrau (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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die Einschusstemperatur des Wassers auf siebzig Grad ein. Außerdem hatte er jetzt einen Grund, zu ihr ins Zimmer zu kommen. Der Heizkörper musste entlüftet werden. Es war nur ein kleiner Handgriff, ein Drehen an der Flügelschraube. Er würde es ihr beibringen. So lernte sie gleich, mit ihrer neuen Umgebung zurechtzukommen. Konnte Stück für Stück Besitz von ihr ergreifen.
    Während er wieder hinaufging, fragte er sich: Wer sagt mir überhaupt, dass sie sich mit Ölheizungen nicht auskennt? Vielleicht lag das Schnellrestaurant, in dem sie gearbeitet hat, in einem modernen Hochhaus? Im Grunde weiß ich nichts über sie. Vielleicht wird sie froh sein, eine moderne Waschmaschine mit Trockner im Haus zu finden, vielleicht hält sie das Ganze für Magie – für einen schlechten, bösen Zauber.
    „Nun mach mir bitte auf, Mary. Ich will nur deine Heizung entlüften. Es wird gleich schön warm werden. Du musst nicht länger frieren.”
    Die einzige Antwort war das Schlurfgeräusch.
    Jetzt reichte es ihm. Er wollte nicht länger auf der Treppe sitzen. Sein Rücken meldete sich, und die Knie schmerzten bereits. Wenn sie herumlaufen wollte, bitte, irgendwann würde sie schon damit aufhören.
    Eine Weile lief er selbst aufgeregt im Wohnzimmer hin und her, leerte die Aschenbecher, räumte die Bierflaschen weg, und am liebsten hätte er noch den Staubsauger angeworfen, aber dann – es war schon gegen drei Uhr morgens – überkam ihn lähmende Müdigkeit. Die Knochen wurden schwerer, seine Bewegungen langsamer, seine Gedanken schwerfälliger.
    Er zog sich nicht aus. Vielleicht stand sie gleich unten und wollte etwas von ihm. Der Gedanke, ihr im gestreiften Schlafanzug gegenüberzutreten, hatte etwas Lächerliches an sich.
    Er rechnete fest mit ihrem Erscheinen. Lange konnte sie es oben nicht mehr aushalten. Er legte sich angezogen aufs Bett und zeichnete mit seinem Blick das magische gleichschenklige Dreieck nach.
    Erschöpft schlief er schließlich ein und wurde frierend von Wolfhardt Pauls knatterndem Traktor geweckt. Der Geruch von über die Felder verspritzter Jauche störte Günther Ichtenhagen schon lange nicht mehr. Aber an diesem Morgen hätte er davon kotzen können. Er würgte, trank im Badezimmer stehend ein Glas Wasser, fror nun selbst, obwohl die Heizkörper Wärme abstrahlten und draußen die Sonne den Schülern Hitzefrei versprach.
    Das schlurfende Geräusch hatte aufgehört. Als er sich vors Schlüsselloch kniete, um hindurchzuschauen, wurde er von dem bangen Gefühl getrieben, dass sie sich etwas angetan hatte. Sie saß in ihrem Sessel, zusammengekauert, im Mantel, vergraben unter einer Decke. Sie hatte ihr Bett nicht benutzt. Schlagartig wurde Günther Ichtenhagen klar, warum sie sich nicht ins Bett gelegt hatte: Sie befürchtete, die Männer könnten zurückkommen. Sie wollte nicht wehrlos im Bett liegen und auf sie warten. Sie wollte sie zumindest stehend oder sitzend empfangen, angezogen. Sie hatte Angst, im Schlaf überrascht zu werden.
    Er schämte sich. Wortlos ging er, das Frühstück vorzubereiten.

31
    Er empfand einen Anflug von Zorn, weil sie auch jetzt nicht erschien. Er hatte sich wirklich Mühe gegeben. Warum belohnte sie seine Anstrengungen nicht? Tee und Kaffee standen duftend auf dem Tisch, vier frische Brötchen, gerade von Seglers geholt, drei Sorten Aufschnitt, Honig, Erdbeermarmelade und zwei Äpfel. Sogar gartenfrisch geschnittene Röschen kümmerten im Wasserglas vor sich hin.
    Er rief „Frühstück!”, dann „Breakfast is ready!”, schließlich versuchte er es auf französisch: „Petit-déjeuner!”
    Aus Marys Zimmer keine Reaktion.
    Vielleicht, dachte er, beobachtet sie dich jetzt aus ihrem Zimmer durchs Schlüsselloch. Er hatte nie ausprobiert, ob man von dort oben ins Wohnzimmer gucken konnte. Aber es erschien ihm nicht unwahrscheinlich. Der Winkel war günstig.
    Er setzte sich an den Tisch und begann, mit gespielter Fröhlichkeit, lautstark größten Genuss heuchelnd, zu frühstücken. Er war so eine üppige Morgenmahlzeit nicht gewöhnt, stand aber unter dem Zwang, alles anzubeißen und zu probieren, als müsse er beweisen, dass nichts vergiftet war. Nach der ersten Brötchenhälfte mit Käse setzte das Völlegefühl ein. Nach der zweiten wusste er schon nicht mehr, was ihm größere Übelkeit bereitete: Wolfhardt Pauls Jauche oder die Brötchen von Seglers.
    Dann schaltete er das Radio ein, versuchte sie mit Musik zu locken. Auch ein Fehlschlag. Beleidigt packte er die

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