Traumfrau mit Fangzähnen
liebt.«
»Benny, ich sag es dir nur ungern, aber es wird immer eine Rolle spielen. Seien wir ehrlich zu uns, wenn es um Männer geht, sind wir immer die Dummen«, sagte ich.
»Zur Hölle mit den Männern! Lass uns einfach unser Leben genießen und uns nicht den Kopf über sie zerbrechen. Wer braucht schon Männer? Sieh dir an, wie gut es mir geht. Ich lebe in New York und bin nicht länger die ›verrückte Hexe‹, wie mich einige Leute in Branson genannt haben. Ich amüsiere mich prächtig. Manchmal habe ich das Gefühl, wenn es mir noch besserginge, müsste ich jemanden engagieren, der mein Glück mit mir teilt. Einigen wir uns darauf, dass es uns gutgeht, meine Liebe.«
»Du hast recht. Und wenn es das Team Dark Wing irgendwann einmal nicht mehr geben sollte, kann ich auch allein versuchen, die Welt ein wenig besser und sicherer zu machen. Geld habe ich genug. Ich könnte eine Tierstiftung gründen oder in kriegsgebeutelten Ländern wie beispielsweise Afghanistan Schulen oder Krankenhäuser eröffnen. Vielleicht bekommen Darius und ich auch noch mal eine Chance, und wir richten uns ein Leben ein, in dem er seine Gedichte schreiben und ich zeichnen kann. Ich habe einmal gezeichnet, weißt du. Aber das sind bloß Träume.«
»Menschen, die keine Träume haben, sind sehr arm«, erwiderte Benny mit schläfriger Stimme.
Ihr Atem wurde immer gleichmäßiger, und schließlich fing sie leise an zu schnarchen, auf eine sehr damenhafte Art – eben ganz Benny. Ich umklammerte meine Beine fester und legte den Kopf auf die Knie. Ich hatte schon oft versucht herauszufinden, warum ich so viel für Darius empfand. Er war der Typ Mann, zu dem ich mich immer schon hingezogen gefühlt hatte. Wahrscheinlich verband ich meine Gefühle für ihn mit meinen Erinnerungen an George Gordon, Lord Byron. Die beiden Männer waren sich sehr ähnlich: Sie waren intelligent, besaßen eine große Ausstrahlung, litten emotional und kämpften gegen innere Dämonen, vor denen ich sie retten wollte. Es waren heldenhafte Idealisten, die ich bewundern konnte, und obendrein besaßen sie auch noch großartige Körper. Sie liebten mich mit einer unglaublichen Hemmungslosigkeit und stießen so an die Grenze dessen, was eine Frau und ein Mann zusammen erleben konnten. Ich fand all dies unglaublich aufregend, und ich mochte das Gefühl, die Gefahr, die Lust genauso wie sie. Beide waren wie ein Magnet für die Bedürfnisse, die tief in mir verborgen lagen.
Das Nachsinnen über Darius und Byron ließ meine Gedanken abschweifen. Sie wanderten durch die Korridore der Zeit zurück zu einem Schloss in Kent, das ich Schloss Indolenz getauft hatte und in dem ich im Jahr 1808 lebte – das Jahr, in dem Byron nach London zurückkehrte, fest entschlossen, in seinem Leben Unheil anzurichten.
Und er machte seinem Vorhaben alle Ehre, verlor ungeheure Summen beim Glücksspiel, schlief sowohl mit edlen Damen als auch mit derben Huren und konsumierte große Mengen an Essen, Trinken und Opiaten mit rücksichtsloser Selbstvergessenheit. Er suchte nach dem Verbotenen und Gefährlichen, und vermutlich war dies der Grund, warum er sich einige Wochen nach unserer leidenschaftlichen Nacht, in der ich sein Blut getrunken hatte, auf die Suche nach mir machte.
Es war eine trostlose und stürmische Nacht. Ich trug ein weißes Nachthemd aus ägyptischer Baumwolle, so fein gewebt, dass es beinahe durchsichtig war, und hatte mir eine mit weißem Fuchsfell eingefasste Robe aus schwarzem Samt umgelegt. Ich saß mit dem Rücken zum Feuer, und meine Füße ruhten auf einem bestickten Kissen, während ich mich auf die Gobelinstickerei konzentrierte, die in einem Rahmen auf meinen Knien lag. Das Motiv sollte einen Flughund darstellen, der kopfüber am Ast eines über und über mit Früchten behangenen Kirschbaumes baumelte. Ich spielte mit den Farben, mit dem Braun der Fledermaus gegenüber dem leuchtenden Rot der Kirschen und dem Hellgrün der Blätter, doch die Farbgebung des Hintergrunds bereitete mir Kopfzerbrechen. Ich sinnierte über die verschiedenen Möglichkeiten nach, als plötzlich Jerome, mein Butler, leise an die Tür klopfte.
»Lady Webster«, sagte er steif. »Ein Gentleman möchte Sie sprechen.«
Es war bereits sehr spät, beinahe elf, und da ich in England nur wenige Bekanntschaften hatte, war ich überrascht. »Wer ist es?«, fragte ich und zog die Augenbrauen in die Höhe.
»Lord Byron, Mylady«, erwiderte Jerome in einem Tonfall, der mir verriet, dass selbst
Weitere Kostenlose Bücher