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Traumfrau mit Fangzähnen

Traumfrau mit Fangzähnen

Titel: Traumfrau mit Fangzähnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Savannah Russe
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Ich verlor meine Menschlichkeit. Ich wurde zu einer Bestie. Und wie in unserer ersten gemeinsamen Nacht suchte ich mit meinen scharfen Zähnen nach seiner Ader. Ich biss zu. Er explodierte in mir, und sein Körper zuckte unter Wellen der Lust, während ich trank. Er war in vollkommener Ekstase und wäre glücklich gestorben, wenn ich ihn leer gesaugt hätte. Doch stattdessen trank ich nur, bis ich mich satt fühlte, berauscht von Wein und Blut, und sank schließlich in einen traumlosen Schlaf.
    Kurz darauf erwachte ich wieder, erfüllt von Scham und Entsetzen. Ich hatte mir geschworen, diesen Mann niemals wieder zu beißen. Ich wollte ihn nicht zu einem Monster machen, wie ich eines war. Und ich wollte ihn auch ganz sicher nicht töten. Ich suchte nach seinem Puls, der jedoch kaum zu spüren war. Er war bewusstlos, aber immerhin nicht tot. Ich band ihn los, rannte dann nach oben, zog mich in wilder Hast an und rief nach Jerome. Ich wies ihn an, Byron nach London in seine Unterkunft zu bringen und einen Arzt zu rufen, falls es nötig sein sollte. Mit ruhiger Effizienz erfüllte Jerome meinen Auftrag und trug Byron nach draußen in meine Kutsche. Feuchter Nebel wand sich um die Mauern des Schlosses, während ich den beiden Männern nachsah, wie sie auf der langen Auffahrt durch die Reihen dunkler Zypressen davonfuhren. Als sie außer Sicht waren, sank ich am Türrahmen zusammen. Ich war ein Monster. Ich schwor mir, George Gordon niemals wiederzusehen.
    Natürlich schrieb er mir. Ich las seine Briefe und übergab sie dann den Flammen des Kaminfeuers, antwortete ihm nie. Ich verließ England und zog in den Süden Frankreichs, um Distanz zu schaffen. Zwanzig Jahre später drängte es mich plötzlich, ihn aufzuspüren. Aber ich vergrößerte das Leid nur noch, denn es sollte kein gutes Ende für Byron nehmen.
    Die vielen Gedichte, die er mir schickte, las ich alle, doch ich behielt nur ein einziges, inzwischen eines der bekanntesten. In den Literaturgeschichten steht nichts darüber, aber ich offenbare nun, dass er es für mich geschrieben hat:
    Als wir einst schieden
    Tränen im Blick,
    stumm, ohne Frieden –
    grauses Geschick!
    Ward deine Wange bleich,
    kälter dein Kuss,
    ahnt’ ich, was kummerreich
    dulden ich muss.
     
    Wie kalt an dem Tage
    der Tau mich genetzt!
    Wie warnende Klage
    und Ahnung vom Jetzt!
    Dein Eid ist gebrochen,
    dein Name, so leicht,
    macht, wird er gesprochen,
    vor Scham mich erweicht.
     
    Dein Name umhallt mich
    wie Grabesgetön,
    ein Schauer fasst kalt mich –
    was warst du so schön?
    Sie wissen nicht, dass ich
    so gut dich gekannt –
    dein Bild noch umfass ich,
    in Klagen gebannt.
    Geheim durft’ ich nah’n dir,
    geheim ist mein Schmerz,
    dass Treu’ nur ein Wahn dir,
    dass Falschheit dein Herz.
    Treff’ ich aufs Neu’ dich,
    wenn Jahre dann um,
    wie grüß ich wohl treu dich?
    Weinend und stumm.
     
    Ich erwachte umgeben von völliger Dunkelheit, und meine Beine schmerzten von der stundenlangen angewinkelten Position. Ich wühlte in meinem Rucksack, förderte schließlich das Handy zutage und klappte es auf, um nach der Uhrzeit zu sehen. Es war nach halb sieben. Die Sonne sollte bereits hinter dem Horizont verschwunden sein, und wir konnten gefahrlos die Tür der Gruft öffnen.
    »Benny!«, rief ich. »Wach auf.«
    »Ich bin wach«, erwiderte sie. »Und ich müsste mal eine gewisse Örtlichkeit aufsuchen, wenn du weißt, was ich meine. Können wir endlich hier raus?«
    »Ich öffne die Tür sofort, kleinen Augenblick noch.« Ich wühlte weiter in meinem Rucksack, bis ich ein Paar Lederhandschuhe gefunden hatte. Ich streifte sie über und zog das Eisenkreuz vor der Tür fort. Dann öffnete ich die Metalltür und sah hinaus in die Abenddämmerung, krabbelte schließlich durch die Öffnung und richtete mich auf, wobei mir ein schmerzhafter Stich durch Rücken und Beine fuhr.
    J saß auf einem der Grabsteine und beobachtete mich. Niemand sonst war zu sehen. Die Stille des Friedhofs wurde nur durch das leise Flüstern des kalten Windes gestört, der durch die Pinien strich.
    »Geht’s Ihnen beiden gut?«, fragte J.
    »Nur ein bisschen steif, danke. Ich bin froh, dass Sie hier sind, aber können wir mit der Lagebesprechung noch einen Augenblick warten? Benny und ich müssten dringend ein Badezimmer aufsuchen, und dann brauchen wir Kaffee und danach etwas zu essen«, sagte ich, griff nach Bennys ausgestreckter Hand und half ihr aus der Gruft.
    »Himmel, das war schlimmer als eine Nacht in

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