Traumfrau mit Fangzähnen
nicht schon genug angerichtet?« Er ging zur Tür. Ich setzte mich auf und versuchte, meine Gefühle zu ordnen. Jade kam zu mir, legte sich zu meinen Füßen und schob so – ganz bewusst, wie mir schien – ihren Körper zwischen mich und Darius.
Darius öffnete die Wohnungstür und drehte sich noch einmal zu mir um. »Ach ja, hör mal deinen Anrufbeantworter ab. Deine liebe heilige Mutter hat angerufen, bevor du aufgestanden bist«, sagte er mit sarkastischem Unterton und verließ ohne ein weiteres Wort mein Apartment.
»Fahr zur Hölle!«, rief ich ihm nach. Jade bellte, und ich glaube, es sollte genau dasselbe heißen.
Ich habe ihn zu einem Monster gemacht?,
dachte ich gekränkt.
Ich habe ihn zu einem Vampir gemacht, zu einem Mitglied einer alten und noblen Rasse. Bevor ich ihn gebissen habe, war er ein Vampirjäger. Wenn das kein Monster ist, was dann? Tja, falls er denkt, ich würde hier herumsitzen und warten, bis er sich selbst gefunden hat, hat er sich aber gewaltig geschnitten.
Plötzlich fröstelte es mich, und ich fühlte mich hundsmiserabel. Vielleicht hatte ich mir eine Erkältung eingefangen. Ich griff nach einem Taschentuch und putzte mir die Nase. Eingehüllt in eine Decke und in meinen gerechten Zorn stapfte ich zum Telefon. Das Lämpchen des Anrufbeantworters blinkte hektisch und zeigte an, dass es zwei neue Nachrichten gab.
Die erste war von Benny. »Daphy, Süße, hast du deinen Umschlag schon geöffnet? Wohin schickt man dich heute Abend? Mir wurde ein wunderschönes Weinlokal zugewiesen, die Silverleaf Tavern auf der achtunddreißigsten Straße. Es ist wahnsinnig schick! Oh, ich hoffe, dass wir zusammen hingehen. Ich muss unbedingt mit dir reden. Ruf mich an! Tschüüüüüüüss!«
Der zweite Anruf stammte von meiner Mutter, Marozia Urban, oder Mar-Mar, wie ihre Freunde sie nannten. »Daphne, Liebes, ich bin es, deine Mutter.«
Als ob ich das nicht wüsste!
»Ich komme kurz bei dir vorbei, wahrscheinlich noch vor sechs. Ich muss unbedingt mit dir reden, bevor du das Haus verlässt. Wir sehen uns, und denk immer daran: Alle Macht dem Volk!«
Ach du Scheiße
, dachte ich. Nein, um genauer zu sein, dachte ich:
Ach du Riesenscheiße
. Meine Mutter kam nie einfach »nur so« vorbei, sondern hatte immer einen Grund. Auch wenn es so aussah, als wolle sie bloß einen Tofu-Burger bringen, waren ihre Absichten meist weitaus hintersinniger. Zweifellos wollte sie diesmal entweder etwas
von
mir erfahren – oder
über
mich.
Mist!
, dachte ich erneut, als mir vollends bewusst wurde, was das zu bedeuten hatte. Sie wusste offenbar, dass Darius hier war. Aber wie konnte sie das herausgefunden haben, wenn … wenn meine Wohnung nicht observiert wurde?
Daphne? Hallo!
Wie gut kennst du deine Mutter? Natürlich wird deine Wohnung observiert.
Ich bin fest davon überzeugt, dass meine Mutter die Welt retten will. Sie war seit jeher eine Weltverbesserin, allerdings eine Weltverbesserin mit einer überaus großen Anziehungskraft. Im Europa der Renaissance hatte sie hinter mehr als nur einem Thron die Fäden in der Hand gehalten, und sie war die Geliebte eines Papstes gewesen – meinem Vater, wie ich später herausgefunden hatte. Er war allerdings nicht sonderlich lange Papst gewesen. Urban VII. oder Giambattista Castagna starb nur zwölf Tage nach seiner Wahl und noch bevor er sein Amt antreten konnte. Die offizielle Todesursache war Malaria, meine Mutter behauptet jedoch, dass er umgebracht wurde, was mich nicht sonderlich überraschen würde. Ein Vampir an der Spitze der katholischen Kirche hätte unweigerlich zum größten Skandal in der Geschichte jener Institution geführt. Mar-Mar hingegen besteht natürlich darauf, dass Urban aufgrund seiner politischen Ansichten ermordet wurde. Für meine Mutter ist Politik das Motiv für sämtliche schlechten Taten, andererseits jedoch genießt sie es, politische Intrigen zu spinnen.
Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht sonderlich viel über ihre Vergangenheit, also die Zeit, bevor sich mich bekam. Sie redet nicht darüber und hat mir auch kaum etwas über meinen Vater erzählt. Was auch immer sie während des sechzehnten Jahrhunderts erlebte, bleibt ein Buch mit sieben Siegeln. Ich weiß nur, dass sie eine sowohl stürmische als auch gefährliche Beziehung zur Kirche hatte und dass der Vatikan seither ihr größter Feind geblieben ist.
Jenseits ihrer politischen Verstrickungen kann sie es einfach nicht lassen, sich in mein Liebesleben einzumischen. Sie
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