Traumfrau mit Fangzähnen
Hör mal, können wir uns später unterhalten? Jetzt passt es gerade nicht so gut.« Er wirkte nicht begeistert, mich zu sehen, allerdings schien er auch nicht unglücklich darüber zu sein.
»Nein, ich muss jetzt mit dir reden. Es ist wichtig.« Wieder ließ ich meine Stimme unbeteiligt klingen, während mein Inneres Purzelbäume schlug.
Er runzelte die Stirn und nickte. »Also gut«, lenkte er ein und wandte sich zu dem Keyboarder um. »Cass? Kannst du mir die kurz abnehmen?« Er zog den Riemen seiner Gitarre über den Kopf und reichte sie seinem schmächtigen Bandmitglied. Die Sängerin trat zu uns und sagte mit quengeliger Stimme: »D, vergiss nicht, dass wir beide noch etwas vorhaben.«
Ihre roten Lippen waren zu einem Schmollmund gespitzt, und ihre Augen funkelten.
»Ich weiß, Julie, es dauert nur eine Minute«, erwiderte Darius und wandte sich dann zu mir, so dass ihm der Blick purer Feindseligkeit entging, den Julie mir zuwarf. Er griff nach meinem Ellbogen und dirigierte mich zu der kleinen Bar der Lounge.
»Daphne«, sagte er leise und voller Besorgnis. »Wir können zwischen all den Menschen hier unmöglich offen reden. Worum geht es denn?«
Natürlich hatte er recht, aber was ich zu sagen hatte, konnte nicht länger warten. »Darius, ich weiß nicht, warum du das hier machst, aber du musst damit aufhören! Genauso wie mit diesem Selbstjustiz-Quatsch. Du darfst in der Öffentlichkeit nicht als Vampir in Erscheinung treten.«
»Warum nicht? Wie soll ich akzeptieren, wer ich bin, wenn ich es gleichzeitig verleugnen muss? Ich bin Darius, der Vampir, erinnerst du dich?« Seine Stimme hatte einen scharfen Unterton angenommen.
»Darius, du lieber Himmel«, flüsterte ich eindringlich, »begreifst du denn nicht? Wenn du deine Identität nicht verbirgst, bringen sie dich um!«
»Mich umbringen? Wer? Deine Mutter?« Er spie die Worte förmlich aus. »Sie ist nicht gerade der typische Killer-Typ. Oder meinst du die Vampirjäger? Ich war selbst einmal einer von ihnen und weiß, wie sie vorgehen. Die erwischen mich nicht. Und jetzt muss ich wirklich gehen.« Purer Zorn hatte jegliche Sanftmut in seiner Stimme ausgelöscht.
»Darius, bitte, du musst mir zuhören. Dein Verhalten könnte deinen Tod bedeuten!«
»Ich muss überhaupt nichts, Daphne. Und ich werde mich nicht verkriechen. Jemand will mich umbringen? Dann soll er es doch versuchen. Er würde mich damit nur aus meinem Elend erlösen.« Er wandte sich ab und wollte gehen, doch ich hielt ihn am Ärmel seines Umhangs fest. »Darius, verstehst du denn wirklich nicht? Du gefährdest nicht nur dich allein. Auch ich wurde beinahe umgebracht! Du könntest uns alle ins Verderben stürzen«, sagte ich beschwörend.
In seinem Gesicht spiegelte sich eine derart tiefe Traurigkeit, dass ich Angst bekam, sie würde mich verschlingen. »Es ist nicht meine Absicht, irgendjemanden in Gefahr zu bringen«, erwiderte er ohne Groll. »Aber es gibt nun einmal gewisse Dinge, die ich noch erledigen muss. Im Übrigen habe ich nicht die geringsten Zweifel daran, dass du auf dich aufpassen kannst, Daphne. Die ganzen anderen Vampire hingegen interessieren mich einen Dreck. Ich werde jetzt gehen«, sagte er, verschwand ohne ein weiteres Wort in der Menge und ließ mich einfach stehen.
Nachdem Darius außer Sicht war, schüttelte ich meine Starre ab, war jedoch emotional immer noch derart angespannt, dass ich mich so mechanisch bewegte wie ein Roboter. Die Unterhaltung mit Darius war gründlich schiefgegangen. Seine Worte jagten mir Angst ein, und doch wollte ich nicht glauben, dass er sie ernst gemeint hatte. Denn das würde bedeuten, dass sich der Hass auf Vampire in seinem Herzen festgesetzt hatte, dass es ihm nichts ausmachte, getötet zu werden – und dass ich in Zukunft höllisch vorsichtig sein musste. Darius würde nicht aufhören, sich in der Öffentlichkeit zu zeigen, selbst wenn er damit sowohl mich als auch alle anderen gefährdete, die mir lieb und teuer waren. In meinem Kopf drehten sich die Gedanken derart schnell, dass mir ganz schwindelig wurde.
Ich ging wieder nach unten, um meinen Mantel und meinen Pelz zu holen und so schnell wie möglich aus dem Pub zu verschwinden. Ich wollte in Ruhe über alles nachdenken. Der Lärm, die Hitze der Körper, der Geruch nach Bier verursachten mir Übelkeit. Plötzlich wurde mir leicht schwarz vor Augen, und mich durchfuhr der Gedanke, dass das einzige Blut, das ich in den letzten Tagen getrunken hatte, von Darius
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