Traumfrau mit Fangzähnen
unbedingt zu meinen Tugenden.
Benny saß zusammen mit Bubba auf einer ledernen Bank. Als Bubba mich bemerkte, sprang er auf und bot mir seinen Platz an. Er trug nicht seine gewohnte John-Deere-Kappe und hatte sich mit einem gutgeschnittenen Nadelstreifenjackett, einem edlen Leinenhemd und einer teuren Seidenkrawatte ziemlich herausgeputzt. Zumindest obenherum. Untenherum trug er Jeans und seine Wolverine-Arbeitsstiefel. Während ich mich setzte, blieb mein Blick an seinen Stiefeln hängen.
Verdammt, bin ich betrunken, dachte ich. Bubbas Stiefel hatten eine Erinnerung wachgerufen, und in Gedanken befand ich mich bereits auf dem Weg in eine vergangene Zeit. Es war Sommer in den frühen 1970er Jahren, und ich befand mich mit Mar-Mar in den Hamptons. Ein warmer Wind wirbelte meine Haare durcheinander, und ich versuchte, sie mit den Händen zu bändigen. Ich saß auf dem Notsitz eines alten, silbernen Porsche Cabriolets, das von Abbie Hoffman viel zu schnell gefahren wurde. Er und Mar-Mar schrien über den Fahrtwind hinweg und versuchten, eine Strategie für eine Anti-Kriegs-Demonstration zu entwerfen. Sie wollten mich immer in ihre »Sache« mit einbeziehen, deswegen hatten sie gefragt, ob ich mitkommen wollte, doch ihre Unterhaltung langweilte mich zu Tode. Abbie bog mit quietschenden Reifen auf einen unbefestigten Weg ab, und schließlich hielten wir neben einem einstmals eleganten, jetzt jedoch vollkommen heruntergekommenen Strandhaus, das dem Popsänger Larry Rivers gehörte. Ich erinnere mich, wie ich mit von der langen Fahrt steif gewordenen Beinen und vom Fahrtwind gereizter Haut aus dem Wagen stieg. Die Erde war feucht, und die Äste der Bäume hingen tief herunter.
Eine Fliegentür schlug auf, und Larry Rivers kam aus dem Haus, um uns zu begrüßen. Er war vollkommen zugedröhnt, doch meine Augen wurden magisch von seinen Füßen angezogen. Trotz der Augusthitze trug der Sänger schwere Arbeitsstiefel, die er silberfarben angemalt hatte.
»Miss Daphne, ist alles in Ordnung?«, fragte Bubba. Er schien vollkommen nüchtern zu sein.
Ich hingegen war es ganz und gar nicht. »Jaja«, erwiderte ich, »mir geht es gut.« Ich löste meinen Blick von seinen Stiefeln und rutschte zur Seite, bis ich gegen Benny stieß und ihre weiche Haut an meiner spürte. Ich hielt mich an dem weißen Tischtuch fest und setzte mich aufrecht hin.
»Du bist voll wie eine Haubitze«, flüsterte Benny hitzig in mein Ohr. »Dabei trinkst du sonst so gut wie nie. Was zur Hölle ist denn bloß passiert?«
»Das glaubst du mir nie«, erwiderte ich und versuchte, die silberfarben angesprühten Blätter anzuvisieren, die von der Decke herabhingen. Silbern, genau wie Larry Rivers’ Stiefel, dachte ich. Ich hatte Angst, mich zu bewegen, denn schon bei der kleinsten Bewegung begann sich der Raum erneut um mich zu drehen. »Bubba, würdest du mir einen Kaffee bestellen?«, fragte ich, ohne ihn dabei anzusehen. »Und glaubst du, dass es hier Tatar gibt? Ich brauche, puh, ich könnte etwas … du weißt schon, etwas Rohes gebrauchen … etwas Blutiges.«
»Mach dir keine Sorgen, Daphne. Benjamina wird dir alles erklären, und ich sorge in der Zwischenzeit dafür, dass der Kellner dir etwas zu Essen bringt.« Er verschwand in Richtung Bar.
Unendlich langsam wandte ich meinen Blick Benny zu, die plötzlich vier anstatt zwei Augen hatte. »Also, warum hast du angerufen? Ich dachte, es gäbe einen weiteren OD. Aber hier scheint überhaupt nichts passiert zu sein.«
»Aber es
ist
etwas passiert, Miss Neunmalklug, und du solltest unbedingt darüber Bescheid wissen«, entgegnete Benny.
»Warum?« Mein Blick driftete zu einer Säule, die aussah, als sei sie aus alten Reifen gemacht und anschließend mit Metallic-Farbe angemalt worden. Diese winzige Bewegung reichte aus, um die Karussellfahrt erneut in Gang zu setzen. »Benny, warte einen Augenblick, okay? Erzähl mir erst alles, wenn Bubba mit dem Kaffee wieder da ist.«
»Ich fass es einfach nicht, Daphne«, sagte Benny. »Das bist doch nicht du! Ist irgendwas mit Darius?«
»Allerdings«, erwiderte ich und lehnte mich vorsichtig zurück. In diesem Moment kam Bubba und stellte eine Tasse schwarzen Kaffee vor mich hin.
Ich griff mit beiden Händen danach und nippte vorsichtig. Der Kaffee war nur lauwarm, und ich trank, soviel ich konnte, ohne mich zu verschlucken.
Kurz darauf erschien ein Kellner mit einem London Broil Sandwich. Das Fleisch war nur ganz kurz über der Flamme geröstet worden
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