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Traumfrau mit Fangzähnen

Traumfrau mit Fangzähnen

Titel: Traumfrau mit Fangzähnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Savannah Russe
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seinen Schuhen spiegeln konnte. Ich hingegen sah aus wie eine hingekritzelte Cartoonfigur. Meine Frisur war vollkommen zerzaust, mein Lippenstift schon seit langem verblasst, und als ich den Mantel auszog, fiel mir auf, dass ich ihn falsch zugeknöpft hatte und der Kragen an einer Seite ungewöhnlich hoch stand, während der Saum an der anderen Seite herunterhing. Nicht unbedingt der geeignete Aufzug, um seinen Chef zu beeindrucken. Ich setzte mich, froh, dass der Raum düster und voller Schatten war.
    J zog eine Augenbraue hoch, und in seine Mundwinkel stahl sich der Ansatz eines Lächelns, doch seine Stimme klang wie immer unbeteiligt und geschäftlich, als er mich fragte: »Haben Sie die Droge dabei, Miss Urban?«
    Ich nickte, holte das Fläschchen aus meinem Rucksack und reichte es ihm. »Haben Sie die Baumrinde bereits analysiert?«, fragte ich ihn im Gegenzug.
    J nickte ebenfalls. »Ja, aber die Ergebnisse helfen uns nicht weiter. Wir wissen nicht, ob die Rinde etwas mit Susto zu tun hat. Doch die Probe, die Sie beschafft haben, kann uns zum entscheidenden Durchbruch verhelfen. Vielen Dank.« Er schloss sorgsam seine Hände um das winzige Fläschchen.
    »Von welchem Holz stammte die Rinde? Haben Sie das herausfinden können?«
    »Von irgendeinem Baum aus dem Amazonasgebiet. Das Labor sagt, falls von dem Holz gegessen wird, kann es ein Angstgefühl auslösen, mehr auch nicht. Es regt die Adrenalin- und Kortisolproduktion an, aber es bewirkt in etwa so viel Stress wie ein Tag im Büro oder wie jemand, der sich von hinten anschleicht und ›Buh‹ ruft. Die Substanzen in dem Holz sind demnach weder ein Rausch- noch ein Suchtmittel. Und nichts auch nur ansatzweise Giftiges.«
    »Also glauben Sie, dass das Holz nicht mit Susto in Verbindung steht?«, fragte ich. Es wäre wirklich zu einfach gewesen, wenn uns der Indianer so nebenbei alle Antworten in die Hand gedrückt hätte.
    J betrachtete die Phiole mit dem feinen braunen Puder. »Ich weiß es nicht, Miss Urban. Was hat es eigentlich mit der Nachricht von Miss Polycarp auf sich, dass Sie in Kontakt mit einem der Dealer stehen?«
    »Benny hat voreilige Schlüsse gezogen. Ich weiß nicht, ob er ein Dealer ist. Er heißt St. Julien Fitzmaurice, und ich gehe morgen Abend mit ihm auf eine Party. Vielleicht könnten Sie ihn mal überprüfen.«
    »Gute Arbeit, Miss Urban. Ich werde Montagabend das ganze Team zusammenrufen, damit wir besprechen, wo wir stehen. Also schreiben Sie bis zu dem Meeting bitte einen Bericht.« Wieder schloss er seine Hände um die Phiole. »Bis dahin werde ich auch die Probe analysiert haben. Ich muss Ihnen wohl nicht sagen, dass uns die Zeit davonläuft.«
    »Nein, bestimmt nicht.« Ich seufzte und stand auf. »Ich würde jetzt gern gehen, wenn Sie erlauben. Ich bin ganz schön erledigt.« Ich wünschte mir nichts sehnlicher, als nach Hause zu fahren und zu duschen. Das Steak und das fast rohe Fleisch auf dem Sandwich hatten meine Gier nach frischem Blut nur noch weiter angeheizt. Meine Energie verebbte schnell. Zu Hause würde ich einige der Beutel mit frischen Blutkonserven aus der Blutbank benötigen, die ich im Kühlschrank aufbewahrte. Zum Glück musste ich mich nicht in einer dunklen Gasse auf einen Menschen stürzen, obwohl die Vorstellung in meinem halbbetrunkenen Zustand durchaus ihren Reiz hatte. Kaltes Blut ist nicht halb so befriedigend wie frisches und warmes direkt aus der Vene. Ich vertrieb den Gedanken stirnrunzelnd und versuchte, nicht auf Js Nacken zu starren, der muskulös und ausgesprochen einladend aussah.
    J schien etwas sagen zu wollen, verkniff es sich jedoch und betrachtete mich stattdessen, als läge ich unter einem Mikroskop. Dann nickte er mir bestätigend zu. Ich nahm meine Tasche und ging auf die Tür zu.
    »Passen Sie auf sich auf, Miss Urban«, sagte er.
    Ich sah ihn fragend an.
    »Morgen Abend«, stellte er klar.
    »Ich kann hervorragend auf mich aufpassen«, erwiderte ich.
    »Das weiß ich«, sagte er mit überraschend sanfter Stimme. »Aber wir haben keine Ahnung, mit wem oder was wir es zu tun haben.«
    »Alles klar, Chef«, antwortete ich und lächelte ihm zu. Dann trat ich durch die Tür und ließ ihn in dem halberleuchteten Raum allein.
     
    Da ich nicht schon wieder Taxi fahren wollte, ging ich trotz der Gefahren, die nachts in den Straßen von New York lauerten, in Richtung U-Bahn. Um diese späte Uhrzeit fuhren nur noch wenige Bahnen, aber das machte mir nichts. In den Tunneln unter der Stadt zu

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