Traumfrau mit Fangzähnen
Gedanken, ließ alles los.
Meine einzige andere Verpflichtung vor Sonnenaufgang bestand darin, mit Jade spazieren zu gehen. Zu meiner eigenen Überraschung genoss ich den kurzen Ausflug, außer der Sache mit dem Häufchen-Einsammeln. Die Straßen der Upper West Side lagen verlassen und ruhig da, und Jade und ich gingen einträchtig nebeneinanderher. Ich sah über die Schulter zurück. Niemand folgte uns. Nichts bewegte sich. Ich spürte nichts Böses in meiner Nähe. Keine Eulen riefen. Keine Schamanen erschienen. Doch als ich nach oben in den Himmel sah, glaubte ich, in einem der oberen Fenster die Reflexion eines vorbeihuschenden Fledermausflügels zu erkennen. Hatte ich ihn wirklich gesehen, oder hatte ich ihn sehen wollen?
Kapitel 7
Meine Gedanken, Worte, Verbrechen seien vergeben,
und da ich bald nicht mehr kann leben,
zeig mir, wie zu sterben.
Lord Byron, Das Adieu
(geschrieben unter dem Eindruck, dass der Autor bald sterben wird)
D ie hellen Stunden des Tages verbrachte ich schlafend in meinem mit Satin bezogenen Sarg. Ich erinnerte mich nicht an meinen Traum, doch als sich gegen fünf Uhr die Dunkelheit auf die Stadt hinabsenkte und ich erwachte, spürte ich getrocknete Tränen auf meiner Wange.
Ich begann den Abend mit einem kurzen Spaziergang mit Jade. Dann las ich meine E-Mails und fand eine kurze Bestätigungsmail von Fitz, dass er mich wie angekündigt um sechs Uhr abholen würde. Mein Plan – falls die verschwommene Idee in meinem Kopf überhaupt diese Beschreibung verdiente – war, Informationen aus Fitz herauszulocken, ohne dabei sein Misstrauen zu erregen. Darüber hinaus würde ich einfach wachsam und neugierig sein. Ich überlegte, ob ich Benny anrufen und ihr von der Verabredung erzählen sollte. Zum einen hatte ich ihr versprochen, mich zu melden, und zum anderen war es bestimmt nicht unklug, sie darüber zu informieren, wohin ich ging. Aber was konnte ich ihr schon sagen? Ich wurde zu einer Cocktailparty in den Hamptons ausgeführt. Mehr nicht. Ich kannte weder die genaue Adresse noch den Namen des Gastgebers. Ich hätte mir am liebsten in den Hintern gebissen. Warum hatte ich Fitz nicht danach gefragt? Als Spionin war ich immer noch schrecklich dilettantisch. Bei einem Spionagekurs wäre ich mit Pauken und Trompeten durchgefallen. Und das nicht nur aufgrund meiner miserablen Leistungen, sondern auch, weil ich mit meinen Gedanken ständig woanders war.
Aber ich hatte keine Zeit, mich selbst zu bemitleiden. Ich brauchte ein Kleid, das ich schnell ausziehen konnte, für den Fall, dass ich mich verwandeln musste. Ich entschied mich für ein klassisches schwarzes Etuikleid von Mandalay, dem Lieblingsdesigner von Sharon Stone, und für fuchsienfarbene Satinschuhe mit zehn Zentimeter hohen Absätzen von dem italienischen Designer René Caovilla. Die Schuhe hatte ich auf dem Tiefpunkt meines Trennungsschmerzes von Darius gekauft. Sie waren zwar purer Luxus, aber immer noch billiger als ein Therapeut. Heute Abend wollte ich sexy genug aussehen, um ein wenig Ablenkung zu erzeugen – passend zu Robin Williams’ Bemerkung, dass Männer zwar sowohl Penis als auch Gehirn besaßen, aber nicht genügend Blut, um beides gleichzeitig zu benutzen. Im Hinblick auf die hohen Absätze hoffte ich bloß, dass ich nicht allzu viel würde laufen müssen. In meine Handtasche passten leider keine Turnschuhe. Sie war gerade groß genug für das Handy.
Fitz klingelte um Punkt sechs. Durch die Gegensprechanlage sagte er, dass er in zweiter Reihe parkte, und ich versprach, sofort runterzukommen. Als ich eine Minute später aus dem Aufzug trat, leuchtete Fitz’ Gesicht auf, als wäre es Weihnachtsmorgen. Er küsste mich auf die Wange, und ich täuschte ein Lächeln vor. Draußen stellte ich fest, dass er einen weißen Toyota Prius fuhr, dabei hatte ich nichts unter der Kategorie eines Mercedes erwartet. Als er die Beifahrertür für mich öffnete, sagte er stolz: »Der verbraucht nur fünf Liter auf hundert Kilometern. Das spart nicht nur Geld, sondern ist auch besser für die Umwelt. Man muss diesen ganzen Ölkonzernen einen Strich durch die Rechnung machen. Ich bin ein großer Anhänger von Bobby Kennedy Jr. – es wird Zeit, dass wir den Feind von innen bekämpfen.«
Ich stieg ein und blickte durchs Fenster in Fitz’ offenes, hübsches Gesicht hinauf.
Du könntest der perfekte Mann sein
,
wenn du kein Drogendealer wärst … und ich mein Herz nicht an einen Vampir verloren hätte, der ganz
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