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Traumfrau mit Fangzähnen

Traumfrau mit Fangzähnen

Titel: Traumfrau mit Fangzähnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Savannah Russe
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wenn nicht, meine Liebe«, erwiderte sie drohend.
     
    Ich überlegte kurz, ob ich bis zur dreiundzwanzigsten Straße laufen sollte, um meinen Kopf ein wenig frei zu bekommen, doch für meine Manolo-Stiefel war die Strecke eindeutig zu weit. Außerdem spürte ich ein merkwürdiges Kribbeln zwischen den Schulterblättern und hatte den Verdacht, dass ich wieder beobachtet wurde. Die Vampirjäger verbargen sich irgendwo, und sie wussten, wer ich war. Also rief ich mir zum dritten Mal in dieser Nacht ein Taxi.
    Die meisten New Yorker Taxifahrer unterhielten sich nicht gern, besonders wenn sie Ausländer waren. Amerikanische Taxifahrer waren zwar eindeutig in der Minderheit, dafür aber immer zu einem Schwätzchen aufgelegt. Mein Fahrer war ein Schwarzer mittleren Alters, dem Überdruss und Weltschmerz geradezu ins Gesicht geschrieben standen. Im Radio lief eine Sendung, in der der Moderator über genau den Artikel herzog, den Mar-Mar in der
New York Post
markiert hatte: über den mysteriösen Tod eines Drogendealers und die Sichtung einer riesigen Fledermaus in Brooklyn. Schon bevor ich ins Taxi gestiegen war, hatte mein Kopf gepocht – jetzt schlug ein Presslufthammer auf meine Schläfen ein.
    »Und, was denken Sie darüber?«, fragte mich der Taxifahrer. »Glauben Sie, dass es in Brooklyn Monster gibt?«
    »Das bezweifle ich keine Sekunde«, erwiderte ich, während ich meinen Kopf auf der Suche nach einem Akupressurpunkt abtastete, an dem ich den dumpfen Schmerz ein wenig lindern konnte. »Die ganze Stadt ist voller Monster. Monster in Menschengestalt.«
    »Da haben Sie vollkommen recht, Lady«, sagte er und betrachtete mich im Rückspiegel. Falls ihn mein Anblick verwunderte – die Daumen in die Schläfen gedrückt, der Mund leicht geöffnet und die Augen geschlossen –, ließ er es sich nicht anmerken, sondern quasselte einfach weiter.
    »Wir sind nichts anderes als Tiere, und jedes Tier tötet irgendwann einmal. Das ist der Instinkt, und das ist der Grund, warum Menschen Gesetze brauchen. Das war schon in der Bibel so. Töte oder du wirst getötet, das ist die menschliche Natur. Also muss die Gesellschaft Regeln aufstellen. Aber diese Regeln besagen, dass es manchmal in Ordnung ist zu töten und manchmal nicht. Wo zieht man da die Grenze? Es ist beinahe ein Wunder, dass nicht noch viel mehr Menschen zur Waffe greifen und ihre Probleme selbst lösen. Wissen Sie, was ich mal gelesen habe? ›Probleme, die man heute mit einem Mausklick erledigt, löste man früher mit einer Smith and Wesson.‹ Wenn man hinter die Fassade guckt, sind wir wirklich nichts anderes als Tiere.«
    »Also haben diese Drogenabhängigen in Brooklyn Ihrer Meinung nach keine riesige Fledermaus gesehen?« Da die Akupressur nicht zu helfen schien, versuchte ich es mit dem Massieren meiner Augenlider.
    »Hey, das habe ich mit keinem Wort gesagt«, erwiderte der Fahrer. »Aber wahrscheinlich waren diese Vollidioten wieder viel zu vollgedröhnt, um zu wissen, was sie sehen. Und falls sie tatsächlich von einer riesigen Fledermaus getötet wurden, tut’s mir nicht leid um sie. Die sind doch nur Abschaum. Und was die Fledermaus betrifft – haben wir nicht alle eine Art Fledermaus in uns? Eine dunkle Seite, die wir niemandem zeigen? Außer vielleicht unserer Alten zu Hause«, sagte er und lachte.
    »Also glauben Sie nicht, dass es Vampire gibt?«, fragte ich, während wir vor dem Flatiron-Gebäude hielten.
    »Vampire? Darüber habe ich noch nie nachgedacht, aber nach zwanzig Jahren in diesem Taxi glaube ich ganz sicher an den Teufel.« Er lachte erneut. Ich bezahlte die Fahrt, gab ihm ein großzügiges Trinkgeld und stieg aus.
    Sobald ich auf dem Bürgersteig stand, fühlten sich meine Beine zitterig an, und ein plötzlicher Windstoß brachte mich ein wenig aus dem Gleichgewicht. Die Bö fegte heulend um die Ecken der Gebäude. Als die Ampel auf Grün sprang, rasten einige Taxis den Broadway hinab, ansonsten lag die Gegend still da. Einsamkeit schien sich wie eine Decke über die Stadt gebreitet zu haben. Ich hatte keine große Lust auf die Begegnung mit J, aber schließlich hatte ich keine Wahl. Die Pflicht rief. Immerhin hatte ich mit der Ampulle Susto in meinem Rucksack etwas vorzuweisen.
    J wartete bereits in dem schwachbeleuchteten Konferenzzimmer auf mich. Er stand aufrecht wie immer und mit frisch gebügeltem khakifarbenen Hemd und ebensolcher Hose. Ich vermochte zwar seine Füße nicht zu erkennen, war mir aber sicher, dass man sich in

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