Traumfrau mit Fangzähnen
lässig zu kleiden, und zog daher Stiefel von Cole Haan an, einen Rock aus Wildleder und einen Kaschmirpullover. Schließlich kramte ich aus der hintersten Ecke meines Schranks noch eine kurze Felljacke mit passendem Hut hervor. Niemand würde mich für eine Grabräuberin halten, das war mal sicher. Ich war bester Dinge – bis mich der Portier anrief und mir mitteilte, dass mein Wagen angekommen sei. Er kicherte, und ich fragte mich, warum.
Diese Frage sollte schnell beantwortet werden. Als ich aus den doppelt verglasten Eingangstüren meines Gebäudes trat, parkte dort in all seiner Pracht ein Smart. Der Portier kicherte immer noch hinter vorgehaltener Hand. Mein Outfit war auf einen großen Mercedes abgestimmt, einen BMW oder zumindest einen Mini Cooper, aber meine liebe Mutter schickte mir dieses Gefährt, das aussah wie ein Prius, den jemand in der Mitte durchgeschnitten hatte, um dann nur noch den vorderen Teil zu benutzen. Und damit auch sichergestellt war, dass dieses Auto aus der Masse herausstach und die Leute mit dem Finger darauf zeigten, hatte Mar-Mars Smart leuchtend rotlackierte Türen. Es würde aussehen, als steuerte ich einen Gummiball über den Highway. Manchmal glaubte ich, dass diese Frau sich nächtelang neue Sachen ausdachte, mit denen sie mich lächerlich machen konnte. Auf dem Smart klebte sogar eine Plakette, auf der 4-Liter-Auto stand. Ich wettete, dass alle Mitglieder ihrer Rettet-die-Bäume-Truppe eine solche Plakette besaßen.
Da ich keine andere Möglichkeit hatte, in die Hamptons zu kommen, kletterte ich seufzend hinter das Steuer und fuhr mit dem Gefühl, in einem Autoskooter zu sitzen, zu Bennys Wohnung.
Vom Handy aus rief ich sie an, teilte ihr mit, dass sie schon einmal runterkommen könne, und parkte nur wenige Minuten später vor ihrem Gebäude. Ihre Reaktion war in etwa dieselbe wie meine. »Fährt das Ding mit Benzin, oder müssen wir selbst in die Pedale treten?«, fragte sie, während sie einstieg. »Zum Glück habe ich keine große Handtasche dabei. Die müssten wir sonst auf dem Dach festbinden.«
»Geht mir ganz genauso«, sagte ich kläglich. »Obendrein ist dieses Auto in Amerika derart selten, dass wir auf jeden Fall Aufmerksamkeit erregen, und die können wir nun wirklich nicht gebrauchen. Ich hoffe, dass uns nicht irgendein Polizist anhält, nur um sich das Ding mal aus der Nähe anzusehen. Diese Sachen stehen dir übrigens ausgezeichnet.« Benny sah aus, als habe sie sich direkt aus dem Gorsuch-Katalog eingekleidet, einer Marke, die Skimode der obersten Klasse vertrieb. Sie lag mit ihrer gesteppten Daunenjacke samt Kapuze aus Fuchsfell nicht nur voll im Trend, ihr würde auch herrlich warm sein. Und auch die Stiefel mit Schafswolle sahen gemütlich und bequem aus.
»Vielen Dank, meine Liebe«, erwiderte sie. »Ich habe mir endlich ein paar ordentliche Winterklamotten gekauft. Und da wir dorthin fahren, wo all die Reichen und Berühmten wohnen, wollte ich aussehen, als sei ich die Begleitung eines Multimillionärs.«
»Wir sind wirklich zwei äußerst modebewusste Spioninnen«, sagte ich grinsend. »Aber ich hoffe trotzdem, dass wir keiner Menschenseele begegnen und das Ganze schnell hinter uns bringen.«
»Ich hoffe, dass wir auch sonst keiner Seele begegnen, Daphy. Auf alten Friedhöfen herumzuspazieren ist nicht unbedingt meine Vorstellung von Spaß.«
»Du hast doch wohl keine Angst vor Geistern, Benny«, neckte ich sie. »Schließlich bist du ein Vampir.«
»Es gibt eine ganze Reihe von Dingen, vor denen ich Angst habe, angefangen bei Spinnen«, sagte sie mit einem Schaudern. »Ich mag ja ein untoter Vampir sein, aber ich bin immer noch eine Kreatur aus Fleisch und Blut. Ich habe keine Ahnung, was genau ein Geist ist, wo er herkommt oder was er mir antun wird, aber ich will es auch gar nicht wissen.«
»Du hast recht. Aber Mar-Mar hat mir immer beteuert, dass man sich vor den Toten nicht zu fürchten braucht. Vor den Lebenden hingegen sollte man sich in Acht nehmen«, sagte ich. Wir fuhren von der Bronx-Cross-Schnellstraße auf die Throgs Necks Bridge. Laut der Wegbeschreibung von Yahoo musste ich auf die Interstate 495. Die Hamptons waren 175 Kilometer von der Upper West Side von Manhattan entfernt, und die Fahrt würde ungefähr zweieinhalb Stunden dauern, sofern es keinen Stau gab. Immer positiv denken.
Benny fummelte am Radio herum, bis sie einen Sender mit Oldies gefunden hatte. Der Begriff »Oldies« war in unserem Fall jedoch relativ. Benny war
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