Traumhaft verliebt - Roman
nicht nur willkommen, sondern als etwas ganz Besonderes fühlte. Jeder andere hätte sich vermutlich geehrt und geschmeichelt gefühlt, aber Sarah … nun, das war das Merkwürdige: Sie fühlte so gut wie gar nichts. Das alles passierte Sadie Cool, nicht ihr.
Ihr Alter Ego trat nach vorn, nahm den Schlüssel mit einem Lächeln entgegen und hielt sogar eine kleine, improvisierte Dankesrede. Sie wünschte, Benny wäre hier. Er hätte die gegensätzlichen Gefühle in ihr verstanden. Warum konnte sie die Anerkennung, die Komplimente nicht annehmen?
Doch sie kannte bereits die Antwort auf diese Frage: Es lag daran, dass sie rein zufällig in diese Karriere hineingestolpert war. Sie hatte einfach Glück gehabt, aber genau so lief es im Verlagswesen. Es war ein wenig wie Lotteriespielen: Schreib ein Buch, schick es raus, drück die Daumen und hoffe, dass du eine Sternschnuppe siehst, damit du einen Wunsch frei hast. Fast immer stehst du am Ende mit einem wertlosen Lottoschein da, aber sie hatte gleich beim ersten Versuch den Jackpot geknackt. Was nicht unbedingt bedeutete, dass sie Talent hatte und all die Aufmerksamkeit verdient war. Und genau deshalb kam sie sich vor wie eine Betrügerin. Jeder konnte ein Los kaufen, Roulette spielen, die Würfel rollen lassen. Ihre tückische Schreibblockade verstärkte diesen Eindruck nur. Was, wenn sie wirklich eine Eintagsfliege war?
Der große, symbolische, vergoldete Schlüssel lag kühl in ihren Händen.
»Den hast du verdient«, sagte eine Stimme, und einen Augenblick meinte sie, sie käme aus ihrem Kopf. Abgesehen davon, dass es eine männliche Stimme war, begleitet von einem würzigen Hauch Eau de Cologne.
Sarahs Kopf fuhr herum, und sie begegnete den grauen, tröstlichen Augen des Weihnachtsmanns. Travis war unbemerkt hinter ihr auf die Bühne gekommen.
Woher hatte er gewusst, welche Zweifel ihr durch den Kopf gingen? Es war ja fast so, als hätte er übermenschliche Kräfte und könnte ihr direkt ins Gehirn blicken! Verflixt, wie konnte ein Mann nur so sexy in einem Weihnachtsmannkostüm aussehen? Die Band spielte »Santa Claus is Coming to Town«, und Bürgermeister Moe streckte die Arme aus, um ihr von der Bühne zu helfen. Jetzt stand der Weihnachtsmann im Rampenlicht.
Dotty Mae und Raylene begleiteten Sarah zu ihren Verpflichtungen als ehrenamtliche Bürgermeisterin. Um halb zehn machte sie den ersten Spatenstich für die Grundsteinlegung des Büchereianbaus, in dem die neue Kinderbuchabteilung untergebracht werden sollte. Als die Bibliotheksleiterin ihr mitteilte, der Stadtrat habe dafür gestimmt, ihn den Sadie-Cool-Flügel zu nennen, war Sarah sprachlos. Das hatte sie nicht erwartet. Es berührte sie und jagte ihr gleichzeitig eine Riesenangst ein. Offenbar hielten diese Leute sie hier für eine viel größere Nummer, als sie in Wirklichkeit war. Sie hegten bestimmte Erwartungen, und sie war sich nicht sicher, ob sie diesen gerecht werden konnte oder überhaupt wollte.
Um zehn saß sie in der Jury für einen Kostümwettbewerb und um elf auf einer Matratze, die beim traditionellen viktorianischen Bettenrennen von stattlichen Feuerwehrmännern geschoben wurde. Um zwölf ging sie mit den Damen von Twilight zum Mittagessen im Velvet and Lace Tea Room an der Orchid Street, zwei Blocks in südlicher Richtung vom Stadtplatz entfernt. Für sie als eingefleischter introvertierter Mensch war so viel Kontakt an einem einzigen Tag mehr als genug. Mit anderen Leuten zusammen zu sein, raubte ihr die Energie. Sie brauchte Zeit für sich, doch die würde sie nicht bekommen. Nicht heute.
Um halb zwei brachten Raylene und Dotty Mae sie zum Sweetheart Park, um den Liebesbaum für die Weihnachtszeit zum Wunschbaum umzudekorieren. Als ehrenamtliche Bürgermeisterin hatte Sarah den ersten Engel an den Baum zu hängen.
Man erklärte ihr, dass der Wunschbaum dazu diente, die Wünsche benachteiligter, sozial schwächer gestellter oder schwer kranker Kinder aus Hood County zu erfüllen. Der Baum wurde mit Engelsschmuck behängt, der mit den Namen und Wunschzetteln einheimischer Kinder versehen war. Bis Weihnachten würden großzügige Gönner die Engel vom Baum nehmen und anonym dafür sorgen, dass der Wunsch des jeweiligen Kindes wahr wurde.
Der Sweetheart Park hatte sich in den vergangenen neun Jahren ganz und gar nicht verändert. Im Dezember war er aufs Prächtigste geschmückt, überall waren weihnachtliche Dekorationen aufgebaut, vom Weihnachtsmann mit seinem Rentier über
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