Traumhaft verliebt - Roman
Aber auch wenn sie froh darüber war, nicht länger im Rampenlicht zu stehen, musste sie zugeben, dass sie mit einem gewissen Bedauern den Arbeitern dabei zusah, wie sie die kleinen Verkaufsstände abbauten und die Überbleibsel beseitigten. Man musste nur ein paar Bretter entfernen und Besen und Kehrblech zur Hand nehmen, um das Fantasiebild von England im viktorianischen Zeitalter verschwinden zu lassen. Wie einfach es war, eine imaginäre Welt zu zerstören.
Aus dem Fenster ihres Zimmers im Merry Cherub konnte Sarah auf die Ostseite des Stadtplatzes blicken. Sie saß auf dem malvenfarbenen Zweisitzer am Fenster, den Laptop auf dem Schoß, und beobachtete beim Schreiben, wie sich Twilight zurückverwandelte in eine ganz normale Kleinstadt. Die Stadt glich einem Chamäleon, das musste man ihr lassen. Sie passte sich den Jahreszeiten und Feiertagen an und ließ nichts ungenutzt, um den Tourismus anzukurbeln.
Von Montag bis zum Plätzchentausch des First Love Cookie Clubs am Freitag konnte sie wieder frei über ihre Zeit verfügen. Sie konnte sich in ihrem Zimmer verstecken und sich erholen und den köstlichen grünen Tee mit Himbeeraroma trinken, den Jenny zubereitete. Und sie konnte schreiben. In aller Stille. Das war Sarahs Vorstellung vom Paradies.
Zu ihrer Freude floss das Buch auch weiterhin aus ihr heraus wie Wasser, sie sprudelte nahezu über vor Ideen. Zwar hatte sie noch immer kein Ende gefunden, aber sie war zuversichtlich, dass ihr etwas Passendes einfallen würde.
Außer dem Schreiben nahm noch etwas anderes ihre Aufmerksamkeit in Anspruch: der Wunschzettel, den sie zusammen mit Jazzys Engelsschmuck beim Wunschbaumschmücken im Sweetheart Park in die Tasche gesteckt hatte. Sie ging einkaufen und fand alles, was Jazzy aufgeschrieben hatte, abgesehen natürlich von der neuen Mommy, die ganz unten auf dem Zettel gestanden hatte. Diesen Wunsch konnte nur Travis seiner Tochter erfüllen. Weil sie an Weihnachten nicht in Twilight sein würde, hatte Sarah vor, die Geschenke einzupacken und bei einer der Damen des First Love Cookie Clubs zu lassen, die sie zusammen mit den anderen Wunschbaum-Geschenken verteilte.
Sarah musste zugeben, dass Jazzy ihr ans Herz gewachsen war und dort einen Platz gefunden hatte wie noch kein anderer zuvor. Sie schloss nicht schnell Freundschaften, und normalerweise fühlte sie sich in der Gegenwart von Kindern nicht wohl, aber irgendetwas an diesem kleinen Mädchen rührte sie. Es lag an Jazzys liebenswertem Lächeln, das einen an Sonnenschein, Regenbogen und Frühlingsblumen denken ließ.
Am Mittwochabend, nachdem sie den ganzen Tag mit Schreiben verbracht hatte, wollte Sarah sich beim Funny-Farm-Restaurant am Stadtplatz etwas zu essen besorgen und es wie an den beiden vorhergehenden Abenden mit auf ihr Zimmer nehmen. Immerhin hatte sie endlich ihren Schlafanzug ausgezogen, den sie den ganzen Tag über getragen hatte – ein Luxus, der Schriftstellern vergönnt war –, sich die Haare geflochten und eine Jeans, einen roten Pulli und ihre hochhackigen schwarzen Stiefel angezogen. In Manhattan hätte sie sich nicht die Mühe gemacht, Make-up aufzulegen, nur um sich etwas zu essen zu holen, doch in Twilight konnte es ihr passieren, dass sie jemandem über den Weg lief, den sie kannte. Schließlich musste sie ihr Sadie-Cool-Image aufrechterhalten. Also legte sie Lippenstift und Wimperntusche auf und zog sich ihre Jacke über.
Dann ging sie die Treppe hinunter. Doch gerade als sie die Lobby betrat, kamen Travis und Jazzy hereinspaziert, die Glöckchen an der Eingangstür klingelten fröhlich. Jazzy klammerte sich an die Hand ihres Vaters.
»Hallo«, begrüßte sie Travis. »Da kommt ja die Frau, zu der wir wollen. Jazzy möchte dich etwas fragen.«
Jazzy machte einen Schritt nach vorn. Sie sah aus wie ein winziger Engel in ihrem grün-weißen Samtkleid und den schwarzen Spangenschuhen. Das blonde Haar ringelte sich über ihre Schultern. Ihre Haut war weiß wie Alabaster, ihre Lippen und Wangen erdbeerrot. Um ihre engelhafte Erscheinung zu vervollständigen, fehlten nur noch Flügel und ein Heiligenschein. »Kommst du heute Abend mit uns zum Krippenspiel in die Kirche?«
»Wenn du nichts anderes vorhast«, ergänzte Travis. »Es dauert nur eine Stunde, und wir könnten nachher bei Pasta Pappa etwas essen gehen.«
»Sie machen echt gute Pepperoni-Pizza«, fügte Jazzy hinzu.
Sarah war nicht mehr in einem Krippenspiel gewesen, seit … nun, seit Gramma Mia sie damals mitgenommen
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