Traumjäger (German Edition)
durch die Tür streckte.
„Du bist noch wach?“, rief er erstaunt.
„Ähm, ja. Ich dachte, ich räume meine Sachen schon mal aus dem Koffer in den Schrank.“
Verwundert blickte mein Vater erst in mein blasses Gesicht, dann in den chaotischen Schrank.
„Wir haben Kleiderbügel, Andy“, sagte er langsam.
„Ja, ich weiß“, erwiderte ich leise.
Mein Vater blickte mich nachdenklich an. „Warum steht das Fenster offen?“
Mist, daran hatte ich nicht gedacht. Würde er mir glauben, wenn ich ihm erzählen würde, dass nicht ich es geöffnet hatte, sondern zwei unheimliche Männer in schwarzen Umhängen? Mal ehrlich, würdet ihr es mir glauben, wenn ihr nicht wüsstet, dass es möglich wäre? Wenn ihr nicht wüsstest, dass es so etwas wie Magie gibt? – Eben.
„Ich… ich… ich dachte, ein wenig frische Luft könnte nicht schaden“, stotterte ich stattdessen.
„Es regnet!“
Ich hob die Schultern und versuchte ganz normal auszusehen. Ich glaube, es gelang mir nicht gut, denn mein Vater betrachtete mich noch prüfender.
„Deine Mutter macht sich Sorgen um dich. – Ist auch wirklich alles in Ordnung bei dir?“
Tatsächlich schaffte ich es, meinen trockenen Mund zu einem Lächeln zu verziehen. Ich nickte.
„Alles bestens, Papa.“
Mein Vater lächelte auch, aber es sah mindestens ebenso aufgesetzt aus wie meins. „Na gut. Dann schlaf jetzt. Ich denke, deinen Koffer kannst du auch morgen noch ausräumen. Und morgen machen wir alle zusammen einen strammen Marsch über die Deiche. Gut, mein Junge?“ „Ja, Papa.“
Er klopfte mir sanft auf die Schulter und pflückte leicht verwundert eine dicke Staubfluse aus meinem Haar. (Ja, unter dem Bett war lange nicht mehr geputzt worden. Es war ein wahres Glück, dass ich nicht hatte niesen müssen, als die Gestalten in meinem Zimmer gewesen waren!)
Schließlich nahm mein Vater den Stapel Handtücher, den meine Mutter vergessen hatte mitzunehmen, und verließ den Raum mit einem sehr seltsamen Gesichtsausdruck. Dabei murmelte er etwas, dass für mich so klang wie Pubertät …
Ich ließ mich langsam auf mein Bett sinken. Innerlich zitterte ich noch.
Wieso waren die schwarzen Gestalten hier gewesen? Was wollten sie nur von mir? Was suchten sie?
Der Schreck saß mir noch in den Gliedern, als mein Blick auf den Wecker fiel. Es waren noch fünf Minuten bis Mitternacht. Nein, ich konnte nicht länger warten. Heute nicht. Ich schloss die Augen. „Tom“, wisperte ich, „Ich will in Toms Büro.“
***
Tom war nicht in seinem Zimmer. Ohne seine Anwesenheit wirkte der Raum so viel größer! Ich ging zu dem Bücherschrank und betrachtete die vielen unterschiedlichen dicken Buchrücken. Viele Geschichten kannte ich, von einigen hatte ich noch nie etwas gehört. Vielleicht durfte ich mir einmal ein Buch von Tom leihen. Es mussten wunderbare Bücher sein, wenn sie Tom zu seinen besten Träumen verhalfen. Dann ging ich zu dem Schreibtisch und nahm das kleine rauchende Fässchen in die Hand. Es war schon ein merkwürdiges, kleines Ding. Ob sich der Deckel öffnen ließ? Doch ich kam nicht dazu, es auszuprobieren.
Mit einem leisen pop stand Tom wieder im Zimmer. Er trug einen dicken, blauen Skianzug. Die langen Skier waren noch um seine Füße geschnallt. Er staunte nicht schlecht, als er mich in seinem Raum sah.
„Bin ich zu spät?“, fragte er rasch. „Nein, ich bin zu früh.“, erklärte ich. Ertappt ließ ich das Fässchen sinken. Tom schüttelte ein wenig Schnee von seinem Anzug auf den Teppich und schnallte sich die Skier ab.
„Mir war heute ein wenig nach Wintersport.“, meinte er schmunzelnd. „In Kanada wurde Neuschnee gemeldet, da konnte ich einfach nicht widerstehen.“ Er gestikulierte wild mit den Armen. „Solche steilen Pisten gibt es da! Das war vielleicht ein Spaß! Ich bin runter wie der Blitz und… Du bist so blass, Andy! Ist irgendetwas passiert?“
Er nahm mein Gesicht in beide Hände und betrachtete mich besorgt.
Ich habe Erwachsene oft sagen hören, dass man Fehler in seinem Leben macht. Nicht nur einmal, immer wieder. Und sie haben wohl Recht. Aber niemand konnte mir bislang sagen, wie man sich davor schützen kann! Nicht einmal Tom. Aber gerade das wäre doch wichtig zu wissen, oder? Man merkt schließlich immer erst hinterher, dass es falsch gewesen war! Dann, wenn es längst zu spät ist!
Aber nun gut: Es war ein Fehler, dass ich Tom in dieser Nacht nichts von dem Einbruch der schwarzen Männer erzählt habe. Und es war
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