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Traumjäger (German Edition)

Traumjäger (German Edition)

Titel: Traumjäger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Talbiersky
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Ort.
    Wir standen in einem weitläufigen Saal. Blanker Boden blitzte zu uns herauf. Er war unmöbliert. An der Wand hingen wunderbare Bilder. Es gab nur ein Fenster, und draußen spiegelte sich der Mond in einem Fluss wider. „Es gab keinen Fluss, nur grüne Hügel, Tom!“, erklärte ich. „Grüne Hügel.“, murmelte Tom. Erneut griff er nach meiner Hand.
    Im nächsten Raum störten mich die riesigen Vorhänge. Außerdem gab es keine Säulen. Wir besuchten noch viele Räume: Der eine war zu sauber, der andere hatte keine Galerie, die Umgebung stimmte nicht.
    Im letzten Raum, den Tom sich nur erträumen konnte, ließen wir uns erschöpft auf die gepolsterten Stühle fallen. Natürlich gab es auch sie nicht in meinem Saal.
    „Andy, es ist schwer, sich an Orte zu träumen, bei denen man nicht weiß, wo man sie suchen soll. Ich weiß, du hast noch nicht gelernt, jemanden in deine Träume mitzunehmen, aber es ist ganz leicht. Wenn du es versuchen möchtest…“ „Gerne!“, rief ich sofort. „Ich glaube, ich weiß noch ganz genau, wie er aussah! Schließlich war ich zweimal da. Ich denke, ich werde ihn finden. Wie kann ich dich mitnehmen, Tom?“ „Du musst nur meine Hand nehmen, oder meinen Ärmel. Auf jeden Fall brauchen wir Kontakt. Dann stellst du dir in Gedanken das Ziel vor und flüsterst die Namen von denen, die es erreichen sollen. Und sobald wir dort sind, träumen wir den Traum gemeinsam weiter.“
    Das klang gar nicht so schwer. Eigentlich viel leichter als das, was ich bei Tom mittlerweile im Unterricht gelernt hatte. Überzeugt davon, es zu schaffen, nahm ich Toms Hand. Er sah mich aufmunternd an.
    Vor meinen geschlossenen Augen erschien der Raum, zu dem ich wollte. Der große unmöblierte Raum mit den Säulen und der Galerie. Ich stellte ihn mir ganz genau vor, bis er fast greifbar für mich war. Dann flüsterte ich Toms und meinen Namen. Ich spürte den bekannten Ruck, der mich zu jedem Ort bringen würde, zu dem ich wollte.
    Als ich die Augen öffnete, stand ich tatsächlich in dem bekannten Saal mit den Säulen, dem staubigen Boden und den Bildern. Er war es, ich erkannte ihn sofort.
    „Das ist er, das ist der Raum, Tom!“, rief ich und blickte mich freudig nach ihm um. Doch Tom war gar nicht da. Oh nein, dachte ich betrübt, es hat nicht geklappt. Ja, man meint es kaum, aber Träumen ist manchmal komplizierter als man glaubt.
    Hastig träumte ich mich zurück in das andere Zimmer. Tom saß schmunzelnd auf dem Stuhl, so wie ich ihn verlassen hatte, und wartete bereits auf mich.
    „Hast du den Saal gefunden?“ „Ja!“ „Sehr gut, dann versuch es gleich noch einmal.“
    Diesmal funktionierte es. Tom klopfte mir auf die Schulter. „Prima. Ich habe gleich gewusst, dass du es schaffst! – Das ist also der Raum.“
    Das milchige Mondlicht brach sich seinen Weg durch die verschmutzten, schmierigen Fensterscheiben und entlarvte jedes Staubpartikelchen, das in der Luft schwebte. Wir gingen die Galerie ab. Die vornehmen Damen und Herren in ihren aufwändigen Kleidern starrten regungslos aus den Bildern auf uns herab. Wir passierten ein Portrait nach dem anderen. Es waren nur Portraits! Wo war das Bild mit dem Haus? Ich sah es nicht: nirgendwo. Es war nicht mehr da! Aber eine leere Stelle an der Wand, die verraten würde, wo es gehangen hat, gab es auch nicht!
    „Ich versteh das nicht.“, sagte ich enttäuscht. „Es ist ganz sicher der Raum, in dem ich zweimal gewesen war. Er ist es. Er muss es sein.“
    Tom rieb nachdenklich sein Kinn. „Vielleicht –“, er grübelte, „Ja, vielleicht wurde das Bild ausgetauscht! Weißt du denn noch, wo das Bild ungefähr gehangen hat?“
    Ich trat ein paar Schritte zurück, um Abstand zu gewinnen. Dann zählte ich die Gemälde sorgsam an jeder Seite der Wand ab. „Hier, das ist die Stelle!“
    Ich trat zu einem großen Portrait, das einen leicht rundlichen, älteren Herren zeigte. Er trug einen merkwürdigen, kleinen Hut, der schräg über seinem rechten Ohr hing. Spöttisch hob er seine Mundwinkel und blickte aus kleinen Augen erhaben über uns hinweg.
    Ich konnte mich nicht erinnern, das Portrait schon einmal hier gesehen zu haben.
    „Hier hing vorher das andere Bild.“, sagte ich bestimmt, und ich war mir wirklich ziemlich sicher, dass es so war.
    Tom trat zu dem dicklichen Mann in dem Rahmen und betrachtete eine Weile die Malerei. Er wischte mit dem Finger über den wuchtigen Rahmen.
    „Es liegt kein Staub darauf! Jemand muss es tatsächlich erst

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