Traumjaeger und Goldpfote
überhaupt hierher?«, fragte Schnappzahn tückisch.
Ohne eine Warnung ging Hartbiss auf ihn los, schlug ihn zu Boden und riss an seinem Ohr.
»Du kannst mit deinem Anführer reden, als wär er ein jammerndesKätzchen, aber versuch’s nicht mit mir!« Mit leiser, gefährlicher Stimme hatte Hartbiss in Schnappzahns blutendes Ohr gesprochen, dann wandte er sich den übrigen zu, die ihn entgeistert anstarrten.
»Rein zufällig habe ich dem Allerhöchsten Herrn einen wichtigen Gefangenen gebracht. Wenn ihr Glück habt, wird er darüber so erfreut sein, dass er vergessen wird, euch die Därme rauszureißen.«
»Wichtiger Gefangener? Dieser kleine Wurm?«, fragte Grasknirsch.
»Dieser Wurm ist der einzige Gefangene, dem die Flucht gelungen ist«, knurrte Hartbiss. »Er muss Helfer gehabt haben, richtig? Ist doch klar, oder? Und ihr wisst, was das bedeutet?« Der Krallenwächter beugte sich vor, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. »Verschwörung! Stellt euch das vor!« Hartbiss bleckte zufrieden die Zähne.
»Aber wenn er entkommen ist, was macht er dann hier?«, wollte einer der Wächter wissen. Hartbiss warf ihm einen wütenden Blick zu.
»Ich habe die Nase voll davon, mir Fragen von deinesgleichen anzuhören«, sagte er drohend. »Ich habe wichtigere Dinge zu tun, als mit euch räudigem Pack herumzuschwatzen. Ich werde den Meister aufsuchen. Scher dich fort, Grasknirsch, nimm deine Jammerlappen und ihr ›Gekratze‹ und geh in den Tunnel zurück. Ihr habt hier nichts zu suchen!«
»Und du hast kein Recht, mir Befehle zu erteilen«, sagte der andere Anführer herausfordernd, machte sich aber dennoch aus dem Staub, gefolgt von seiner murrenden Truppe. Schnappzahn folgte ihnen zögernd und mit einem hasserfüllten Blick. »Der Bursche hat kein Rückgrat«, sagte Hartbiss selbstgefällig.
Fritti hatte sich während der ganzen Auseinandersetzung nicht gerührt. Er spürte bis ins Mark die Ausstrahlung, die der Höhle, die vor ihm lag, entströmte – die zermalmende, saugendeKraft von Grizraz Kaltherz. Er nahm kaum wahr, dass Hartbiss ihn auf den Eingang zuschob. Vor seinen Augen schwamm ein Nebel, und unter seiner Stirn setzte ein betäubender, pochender Schmerz ein.
Die beiden Torwächter, ein Krallen- und ein Zahnwächter, nickten kurz mit den Köpfen, als sie Hartbiss erkannten, sie drehten sich jedoch nicht um, als er Fritti an ihnen vorbeiführte. Als sie den Torbogen durchschritten, schlug ihnen kalter Nebel entgegen. Traumjäger zitterte.
In der Mitte der Höhle stieg der Thron des Undenkbaren aus der Grube hervor, und die gekrümmten, sterbenden Leiber waren von gekräuselten Wellen blauen und violetten Lichts überlaufen. Auf der Spitze dieses Monolithen der Qual lag Fürst Kaltherz, dumpf wabernd und trägflüssig wie eine riesige, gerade ausgeströmte Lavamasse. Unter ihm eilten aufgeregte Diener zu Dutzenden geschäftig am Rande der Grube hin und her.
Hartbiss, jetzt nicht mehr so großmäulig wie noch eben, schob Traumjäger behutsam vor das große Untier. Als sie an der kreisförmigen Grubenöffnung standen – der Anführer der Krallengarde machte sich Mut, die Stimme zu erheben –, gab es Bewegung am entfernten Ende der Höhle, nahe dem Haupteingang. Fritti sah einige Krallenwächter eilig durch das Portal rennen, doch die dichten Nebel, die über dem Boden hingen, machten es unmöglich zu erkennen, was dort vorging.
Die Kreatur über der Grube wandte ihren Kopf langsam in die Richtung dieser Ruhestörung. Hartbiss räusperte sich vernehmlich, doch der Meister starrte weiter durch die riesige Felsenkammer.
»Allergrößter Herr … Mächtiger, höre deinen Sklaven!«
Hartbiss’ Stimme drang über die Grube. Der massige Kopf drehte sich schwerfällig, legte sich schließlich zurück und heftete milchweiße Augen auf sie. Der Anführer der Krallengarde und sein Gefangener traten unwillkürlich einen Schritt vomGrubenrand zurück. Der Erstgeborene betrachtete sie ausdruckslos.
»Allergrößter Herr, dein Diener Hartbiss hat dir den entflohenen Gefangenen gebracht – das Sternengesicht. Sieh!« Er trat nach hinten und ließ Traumjäger zurück, der am Rand der Grube kauerte, den unergründlichen, prüfenden Augen ausgesetzt.
Während er wartete, streckte Hartbiss nervös die Krallen aus und zog sie wieder ein, bis er das Schweigen schließlich nicht länger ertragen konnte.
»Habe ich meine Sache gut gemacht, Allergrößter? Bist du mit deinem Diener zufrieden?«
Grizraz Kaltherz
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