Traumjaeger und Goldpfote
Reihe von Tagen hindurch war der Salzgeruch der Breitwasser in seiner Nase und ihre Stimme in seinen Ohren. Wie das Schnurren seiner Mutter, als er noch ein Säugling gewesen war, so war der Ruf der
Qu’cef
das Erste, was er beim Erwachen hörte; das Tosen ihrer Wellen wiegte ihn zur Nacht in den Schlaf, wenn es über die weiten Marschen zu ihm drang, während er zusammengerollt in einem Bett aus Schilf lag.
Auch die Marschen spürten, dass der Griff des Winters sich gelockert hatte. Fritti konnte eine Menge Sumpfmäuse, Wasserratten und andere, unbekannte Tiere erjagen, die sich gleichwohl als wohlschmeckend erwiesen. Oft flogen bei seinem Näherkommen unbekannte Vögel kreischend von ihren Nestern im Rohr auf, doch Fritti – mit gefülltem Bauch – stand nur da, sah sie davonfliegen und bewunderte ihre strahlenden Gefieder.
Am Ende eines dämmrigen Nachmittags, eine erfolgreiche Jagd hinter sich, schlenderte Fritti an einem großen, stillen Teich entlang, der in der Mitte des Marschlandes lag und ganz von hohen Gräsern und Schilf umschlossen war. Die sinkende Sonne hatte die ferne
Qu’cef
in flüssiges Gold verwandelt, und der Teich selbst kam ihm wie ein Rund stillen Feuers vor.
Sich niederduckend atmete Traumjäger den Geruch des Wassers ein. Es roch salzig, er trank nicht. Frisches Wasser war in den Spritzpfoten-Marschen eine Seltenheit. Wenn er auch gut ernährt war, verspürte er doch oft Durst.
Als er sich über den Rand des Teiches beugte, sah er ein sonderbares Wesen. Eine Katze mit dunklem Fell, doch mit einem weißen Stern auf der Stirn, blickte von unten aus dem Wasser zu ihm herauf. Überrascht sprang er zurück – doch die Wasserkatze bekam ebenfalls Angst, machte es ihm nach und verschwand. Als er sich langsam wieder näherte, äugte die andere vorsichtig durch das stille Wasser zu ihm herauf. Mit gesträubtem Nackenfellfauchte Traumjäger den Fremdling an – der dasselbe tat –, doch als Fritti sich niederkauerte, löste sich ein Steinchen von seiner Pfote und fiel in den Teich. Wo es aufschlug, zerstörten kreisförmige Wellchen die glatte Oberfläche des Teichwassers durch immer größer werdende Ringe. Die Wasserkatze zerfiel vor Frittis Augen in Stücke, in treibende Fetzen und war verschwunden. Erst als das Gesicht des Fremdlings sich neu bildete und ein erstaunter Blick den seinen traf, begriff Fritti, dass dies kein wirkliches Tier war, sondern ein Geist oder Wasserschatten, der jede seiner Bewegungen nachmachte. Sehe ich denn so aus?, fragte er sich. Diese schlanke junge Katze soll ich sein?
Lange saß er da und starrte stumm auf den Teich-Fritti, bis sich die Oberfläche des Teiches mit dem endgültigen Verschwinden der Sonne schwärzte. Oben erschien Tiefklars Auge, und die Luft war mit dem emsigen Gewimmel fliegender Insekten erfüllt.
Als senkte sich ein Traum über ihn, hörte er einen Klang, ein leises Geräusch über dem fernen Gemurmel der Breitwasser. Eine Stimme hatte sich zu einem summenden Gesang erhoben – eine sonderbare Stimme, tief, aber fein, gelegentlich in fremdartige Misstöne verfallend.
»… Rundherum geht’s und hinauf und dann in die Runde … Krabbelnde Käfer kommen und künden dem Blinden die Kunde. Die Hoffnung, des Herzens Hirte, hat halb nur gehört wie es rundherum geht und hinauf und herum, das Wort, das beschwört.«
Fritti stand staunend da. Wer konnte das sein, der ein solches Lied in der Wildnis der Spritzpfoten-Marschen sang? Behutsam schlich er durch die Schilfhalme, umrundete den Rand des Teiches und folgte der Stimme zu ihrem Ursprung auf der anderen Seite des Teiches. Als er durch die sich biegenden Halme kroch, erhob sich die Stimme erneut:
»… Sie glotzen und glupschen, gucken auf den glimmenden Steg wie wundernde Wanderer, die wallen auf unwahrem Weg … Nun nennen die Namenlosen beim Namen, was nie sie gehört: Wie es rundherum geht und hinauf und herum, das Wort, das beschwört.«
Als die tuckende Stimme wieder verklang, näherte sich Fritti der Stelle, wo er ihren Ursprung vermutete. Er konnte keinen ungewöhnlichen Geruch feststellen, nur den Salzgeruch der Marschen und die Ausdünstungen des Schlamms. Mit seinem Schwanz schlug er einen stehenden Schwarm von Wassermücken in die Flucht und zwängte sich durch die Schilfhalme. Am Rande des Teiches saß hockend eine große, grüne Kröte – ihr Hals schwoll und sank zusammen, ihr Bauch stak im Schlamm. Als Traumjäger sich langsam von hinten näherte,
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