Traumjaeger und Goldpfote
kleine Pelzquappe auf großer Fahrt … aber keine Angst. Du brauchst bloß meinen Rat anzunehmen, und du wirst fröhlich deinen Weg finden. Vergiss nur eines nicht, Traumjäger: All deine Schwierigkeiten, dein Suchen, Wandernund Kämpfen – sie sind nicht mehr als eine kleine Blase im Teich der Welt.«
Fritti fühlte sich ein wenig ernüchtert, war aber auch wütend. »Was meinst du damit? Viele andere wichtige Dinge haben sich ereignet, seit ich meine Heimat verlassen habe. Für die meisten davon war ich nicht verantwortlich, sondern ich habe meine Rolle gespielt. Es ist sogar möglich, dass die Dinge einen viel schlimmeren Verlauf genommen hätten, wäre ich nicht gewesen«, schloss er mit einigem Stolz.
»Das will ich dir zugestehen. Bitte, reg dich nicht so auf!«, sagte die alte Kröte lächelnd. »Doch beantworte mir eine Frage: Hat der Schnee Vastnir bedeckt?«
»Ich denke, inzwischen hat er das getan, ja. Was soll’s? Es wird bald Frühling sein.«
»Genau, mein kleines Fischchen. Weiter: Sind die Vögel zum Rattblatt zurückgekehrt?«
Traumjäger wusste nicht genau, worauf sie hinauswollte. »Viele der
Fla-fa’az
haben den Weg zurück gefunden … auch das ist wahr.«
Mutter Rhebus lächelte grün und zahnlos. »Sehr gut, ich will dir keine weiteren Fragen stellen. Ich jedenfalls sehe hier in meinem Lilien-Teich, dass die Sonne immer noch jeden Tag den Himmel überquert. Verstehst du nun?«
»Nein«, sagte Fritti verstockt.
»Es ist so: Mit der Zeit kommt ein neuer Winter und geht in einen neuen Frühling über, und dann werden Vastnir und alle Werke von Kaltherz ganz und gar verschwunden sein – nur noch in der Erinnerung werden sie leben. Und nach vielen, vielen weiteren Wintern, die kommen und gehen werden, werden auch du und ich verschwunden sein, und wir werden nichts hinterlassen als unsere Knochen, damit winzige Wesen darin hausen können. Und weißt du was, tapfere kleine Katze? Der Tanz der Welt wird deswegen auch nicht um einen Deut aus dem Takt kommen.«
Schwerfällig hievte sie sich auf ihre Vorderbeine. »Nun, Freund Katze, ich muss fort und diese alten Knochen in ein Moorbad tunken. Ich danke dir für deine angenehme Gesellschaft.«
Damit hüpfte sie zum Rand des Teiches, halb ins stehende Wasser. Dann drehte Mutter Rhebus sich um und sah zurück. Ihre runden Augen zwinkerten schläfrig.
»Keine Angst«, sagte sie, »ich habe mein Lied wohl gequakt. Wenn du Hilfe brauchst, wirst du sie bekommen – zumindest einmal. Halte besonders nach Dingen Ausschau, die sich im Wasser bewegen, denn dort liegen die meisten meiner Kräfte. Viel Glück, Traumjäger!«
Mit einem Satz und einem Platschen verschwand Mutter Rhebus im Teich.
32. KAPITEL
Wind über dem See: das Bild innerer Wahrheit.
I Ging (Das Buch der Wandlungen)
W ährend seiner letzten Nacht in den Spritzpfoten-Marschen unternahm Fritti eine lange, seltsame Reise in den Traumfeldern.
Seine Seele schwebte wie ein
Fla-fa’az
über den Hügeln, Bäumen und Wassern, die Nachtwinde schlugen ihm ins Gesicht. Wie der gewaltige
Akor
, der auf hohen Bergen nistet, segelte er hinauf, immer höher und höher. Der Nacht-Leib von Tiefklar war sein Gefilde, in dem er reisen konnte, wohin er wollte.
Während er schwebte, sprach der Wind in sein Ohr mit den Stimmen vieler – da waren Graswiege, seine Mutter; Borstenmaul und Langstrecker. Sie alle riefen im wilden Geheul des Windes seinen Namen … doch als auch Raschkralles Stimme nach ihm rief, flog er fort – nicht aus Furcht, sondern in einer Art von Staunen. Als er sie vernahm, schwebte er herab, sauste in Schwärze. Die brüllenden Lüfte wurden das irrsinnige Geheul von Grillenfänger und Kratzkralle, die weichen Laute Dachschattens verschlangen sich mit ihren Schreien. Auch sie riefen gemeinsam seinen Herznamen immer wieder.
»… Fritti Traumjäger … Fritti … Fritti … Fritti Traumjäger …« Dann veränderte sich das rauschende Geräusch des Windes und wurde zu einem gewaltigen, unaufhörlichen Dröhnen. Er glitt so dicht über der Breitwasser dahin, dass es schien, er könnte eine Tatze ausstrecken und sie in die Wellen tauchen.Salzwind presste ihm die Barthaare an den Kopf, und der Nachthimmel ringsum war leer. Nur das Dröhnen der
Qu’cef
war zu hören.
Ein heller Blitz, wie Viror Windweiß’ Stern, tauchte über dem Horizont auf. Auf dem breiten Rücken des Windes rasend schnell herangetragen, konnte er das Licht aufschimmern, schwinden und erneut
Weitere Kostenlose Bücher