Traumjaeger und Goldpfote
Zweck deiner Mission. Die Erst-Geher haben über ihre Nachfolge immer selbst entschieden, ohne den Hof zu konsultieren.«
Knarrer lehnte sich zurück und kratzte sich ungeduldig. »Und das werden wir auch weiterhin so halten, o Königin. Es ist nicht Buschpirschers Vermächtnis, das mich herführt, sondern die Art seines Todes. Buschpirscher wurde von einem unbekannten Feind angegriffen und
in Stücke gerissen
. Die anderen Erst-Geher seines Bezirkes sind verschwunden.«
Königin Sonnenfell, in dem Hohlraum aus geplatzter Rinde zusammengekauert, schüttelte sich vor Ekel. Das knorrige innere Holz des Stammes umrahmte ihre weiße Gestalt, als sie zum Lehnsmann hinausblickte.
»Wie entsetzlich!«, sagte sie.
Taupfote schritt auf leisen Pfoten zu Knarrer hinüber. »Welches Untier hat das getan?«, herrschte er ihn an. »Und was können wir dabei tun, dass du mit dieser Geschichte zu uns kommst?«
Fritti, zwischen den wenigen verbliebenen Zuschauern sitzend, spürte, wie sich Raschkralles Körper neben ihm wie ein Bogen spannte.
Das
ist es also, was Zitterkralle und die anderen aus dem Süden hierher geführt hat, dachte er.
»Keiner aus dem Volk kann das sagen«, antwortete Knarrer grimmig. »Es war in der Tat ein kräftiges Wesen, wenn es sich nur um eines handelte. Doch es ist nicht weniger beunruhigend, wenn es sich um eine Meute gehandelt haben sollte. Buschpirscher wurde grausam zugerichtet.«
Sonnenfell hatte ihr Selbstbewusstsein zurückgewonnen. »Warum kommst du gleichwohl zu uns, um uns Unbehagen zu bereiten?«, fragte sie. »Es ist furchtbar, zu hören, was Buschpirscher zugestoßen ist, aber Rattblatt und das nördliche Gebiet gelten seit langem als gefährliche, verbotene Bezirke. Warum bringst du uns diese bestürzenden Geschichten zu Gehör?«
»Ich bringe diese schlimmen Nachrichten nicht bloß, um den Frieden von Erstheim aufzustören«, sagte Knarrer, das narbenbedeckte Haupt stolz erhoben. »Ich komme, um euch die Gefahr vor Augen zu führen, weil ich glaube, dass der Hof sich in einem gefährlichen Zustand der Selbstzufriedenheit befindet. Was mit Buschpirscher geschehen ist, war kein Einzelfall. Ich weiß das, und Ihr wisst es auch. Euer Sohn ist an den Grenzen von Erstheim auf der Pirsch gewesen, weil sich in unmittelbarer Nähe des Nestes Ähnliches zugetragen hat.«
»Nun kommen wir zum Kern der Sache!«, sagte Zaungänger erfreut, doch Taupfote hob eine schlanke Pfote und unterbrach ihn.
»Es hat an unseren Grenzen räuberisches Volk gegeben, doch das ist nichts, worüber man sich aufregen müsste«, sagte der Prinzgemahl mit seiner wohlklingenden Stimme. »Wilde Heuler vielleicht oder ein wild gewordener
Garrin –
man kann sich viele Erklärungen ausdenken, also auch eine für den beklagenswerten Tod Buschpirschers.«
Der kampferprobte alte Lehnsmann maß Taupfote mit einem Blick heimlicher Verachtung. »Natürlich kann ein kräftiger
Garrin
gefährlich sein«, sagte er, »aber Bären halten Winterschlaf, und diese Vorfälle begannen während der letzten Schneefälle. Ich schätze, sie werden sich in diesem Winter wiederholen, wenn die Bären wiederum in ihren Höhlen liegen.« Taupfote erwiderte Knarrers Blick, sagte aber nichts. »Was immer in den nördlichen Gebieten lauern mag – und sich auszubreiten beginnt –, es ist kein natürliches Kind dieser Welt, wie viele aus dem Volk bezeugen können. Die Erde verzeiht ihren Geschöpfen sehr viel. Ichhabe auf den Höhen und in den Tiefen gewohnt, doch etwas wie dieses habe ich nie gesehen.«
»Was meinst du damit, Lehnsmann?«, fragte Königin Sonnenfell. »Ich fürchte, wir verstehen dich nicht.«
»Etwas Fremdes hat sich im Gebiet jenseits der Hararschramme breitgemacht. Die Waldtiere von Rattblatt wandern fort, fliehen in Scharen aus dieser Gegend. Die Vögel, die dort in diesem Sommer nisten, fliegen fort über die Breitwasser. Vor allem anderen Volk solltet ihr in Erstheim wissen, dass dies auf gefährliche Zeiten hindeutet.«
»Komm zum Schluss, Erst-Geher«, sagte Taupfote kalt.
»Was daraus zu folgern ist, dürfte jedem klar sein. Hier, rings um Erstheim, findet man das Volk in einer Dichte wie nirgendwo sonst: eine hungrige, jagende Menge, die unablässig das Unterholz durchstreift, um
Fla-fa’az
oder Quieker zu jagen. Doch Vögel und Mäuse sind immer noch da – weil sie sich hier stärker vermehren als anderswo –, vielleicht weil sie hier überleben können. Der Wurzelwald ist ihre angestammte Heimat, ebenso wie
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