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Traumjaeger und Goldpfote

Traumjaeger und Goldpfote

Titel: Traumjaeger und Goldpfote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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übersät, und feuchte Gegenstände ließen Fritti zusammenzucken, wenn er sie mit seinen Pfoten berührte. Er musste sich an die schmutzigen Wände klammern, wenn er vermeiden wollte, auf den schrecklichen Anführer zu prallen.
    Nun fiel der Tunnel steil ab. Das schwache Leuchten der Wände wurde von Flecken blauen und purpurnen Lichtes unterbrochen, das von weiter unten im Tunnel widergespiegelt zu werden schien. Während er den abschüssigen Pfad hinabschritt, bemerkte Traumjäger auch eine Veränderung der Luft – sie wurde erheblich kälter. Im Verlauf von zwanzig Schritten war der Frost schärfer geworden, und der Boden unter seinen Pfoten erschien hart, vielleicht gar gefroren. Kratzkralle folgend, zog er den Kopf ein, als sie ein niedrigeres Tunnelstück passierten. Als er seinen Kopf wieder hob, stellte er fest, dass sie in ein großes Gemach getreten waren – sie waren am Sitz Vastnirs angelangt, in der Höhle der Grube … dem Herz des Hügels.
    Die Höhle war hoch gewölbt, und ihre Decke lag im Dunkel. Rings um eine Mittelgrube waren Risse im Boden, aus denen indigofarbenes Licht hervorbrach, das mit kräftigen Strahlen den Dunst über dem Höhlenboden durchdrang. Die Wände waren wabenartig mit Grotten und Tunnelöffnungen durchsetzt, und überall strömten dunkle Gestalten hin und her. Sie eilten geschäftig am breiten Rand der Grube entlang und kletterten über die zerklüfteten Felsen, um in den oberen Höhlen zu verschwinden.
    Fritti sah den gefrorenen Hauch seines Atems in der kalten Luft. Eine Kälte wie diese so tief unter der Erde – das war erschreckend unnatürlich. Aber in diesem Alptraum schien alles möglich zu sein.
    Von Kratzkralle unerbittlich angetrieben, schritt er vorwärts und erblickte die Grube und die massige Gestalt, die sich aus ihrerhob und das ganze unterirdische Gemach beherrschte. Als er näher kam, verwandelte sich sein Staunen in Entsetzen. Aus der dunklen, in Dunst gehüllten Mitte der Grube stieg eine sich windende Masse auf, eine wogende Säule kleiner Körper, die über den Rand des gewaltigen Loches im Höhlenboden herausragte wie ein Vulkan aus einer tiefen Schlucht. Der sich windende Berg war eine Masse von Tieren – gequälten, sterbenden oder bereits toten. Katzen und
Fla-fa’az
, Quieker,
Praere
, Heuler und
Rikschikschik
, und der Haufen sich krümmender Tiere gab eine Million geisterhafter Laute von sich. Viele der Wesen waren verstümmelt oder zerstückelt; jene, die sich weiter unten befanden, bewegten sich meistens nicht mehr. Der Gestank drang in Traumjägers Nase, und er würgte. Er sackte auf den kalten Boden, der Dunst hüllte ihn ein und verbarg für einen Augenblick den schrecklichen Anblick. Kratzkralle beugte sich nieder und versetzte ihm einen Stoß mit seinem breiten, flachen Kopf.
    »Steh auf, du Plattkäfer. Mach dich bereit, dem Großen Herrn gegenüberzutreten.«
    Fritti, der sich schwach in den Knien und elend im Magen fühlte, wurde zum Rand der Grube gestoßen und gezerrt. Er hätte am liebsten seine Augen geschlossen. Stattdessen starrte er, angewidert und dennoch gebannt, auf den wabbeligen Berg, auf die tausend leeren Augen und seelenlosen schlaffen Mäuler, die kleine Rauchwölkchen ausstießen.
    Der Krallenwächter nahm neben ihm Aufstellung. »Eure Hoheit! Euer nichtswürdiger Diener hat Euch etwas gebracht!« Kratzkralles Stimme krächzte und hallte von den aufragenden Wänden wider.
    »So. Hast du das, hast du das …?«, muffelte eine verzerrte, ölige Stimme. »Wirf es mit den Übrigen hinein … wir werden es später essen.« Eine riesenhafte, dunkle Gestalt – bis jetzt hatte sie unsichtbar auf der Spitze der Säule aus Leibern gethront – drehte ihren Kopf und öffnete riesige, eierschalenfarbene Augen.
    Traumjäger stieß ein Angstgeheul aus, sprang zurück und prallte genau gegen den steinharten Körper Kratzkralles. Sich zwischen den Vorderbeinen des Anführers zusammenkauernd, vergaß Fritti für einen Augenblick sogar seine Furcht und seinen Hass, die er dem Krallenwächter entgegenbrachte – das Wesen oberhalb der Grube löschte alles andere in seinem Kopf aus. Es war eine Katze. Zwanzigmal, fünfzigmal, hundertmal größer als Fritti – Traumjäger hätte es nicht sagen können. Ihr aufgedunsener Leib war so schwer, dass die winzigen Beine ihn nicht heben konnten. Die Katze lag, vor Fett und Selbstherrlichkeit aufgebläht, auf der Spitze des Fleischberges.
    »Nein, Allergrößter, es ist nichts zum Essen …

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