Traumkristalle
Sphäre,
Und im Staube bleibt die Schwere
Mit dem Stoff, den sie beherrscht, zurück.“
Ja, Oxygen, hier ist Freiheit! Ich bin frei, bin es durch die Macht des Ideals, bin es durch meine dichtende Kunst, die mich über die Schranken der Welt und meiner räumlichen und zeitlichen Existenz hinausträgt.
Ha! Durch deinen neuen Stern, den die Folgen deines Unrechts hervorriefen, sehe ich die Versöhnung kommen – nicht in einer geträumten Ewigkeit, in einem erdichteten Jenseits, das frei wäre von den Gesetzen der Natur, die alles binden; sondern, wenn auch in der Dichtung, so doch innerhalb dieser Gesetze, durch die Gewalt unzerstörbarer Wirkungen im Mechanismus der Welt. Tausende von Jahrmillionen gehen dahin, aber die heilige Kraft meiner Kunst deutet mir die Versöhnung.
Zu der Zeit, da dein Stern aufleuchtet, rollt die Erde vielleicht nicht mehr in ihrer alten Bahn. Hat sich eine Flutwelle am Sonnenäquator als ein neuer Planet abgelöst und ist die Erde mit den übrigen ein Stückchen weiter hinausgeflogen? Oder haben die hemmenden Kräfte des Ozeans die Rotation der Erde verzögert und ist sie dem Sonnenball näher gerückt? Sei es so oder so – in jedem Falle haben sich die Verhältnisse auf ihrer Oberfläche so geändert und mit ihnen die der lebenden Wesen, daß wir die alte Menschheit nicht wiedererkennen.
Zwar ein Teil derselben hat auf dem alten Standpunkte sich erhalten. Aber es sind unterdrückte Wesen. Eine vorgeschrittenere Gattung beherrscht den Planeten, und in den mannigfachen Katastrophen ist die Tradition ihrer Abstammung aus gemeinschaftlicher Wurzel verlorengegangen. Von den verachteten Menschen wollen sie nichts wissen. Unvergleichlich höher steht dies Geschlecht mit der schweren Gehirnmasse, mit den Wirbelfüßen und der komplizierten Organisation, die es sich im Kampfe ums Dasein erworben hat. Die Zerebrer sind es – ach, Reimert-Oberton, sie kennen deine Werke nicht mehr!
Zwischen zwei im Mondlicht glänzenden Abendwolken lustwandelt ein Zerebrer-Pärchen. Ihre Windmühlenflügelfüße bewegen sich so schnell, daß sie die Luft treten. Das Thema ihres Gespräches ist nicht neu. Es ist nicht nur vor zwölf Milliarden Jahren von den Menschen in glühenden Liedern abgehandelt worden, auch vor ihnen schon hatten es die Pterosauriere mit ihren Flughäuten gesäuselt. Denn es dreht sich um die natürliche Zuneigung zweier Wesen verschiedenen Geschlechts, welche man die Liebe nennt.
Das Pärchen scheint nicht ganz einig zu sein.
Unwillig runzelt sie die Flugschwimmhaut und achtet nicht auf seine flehenden Worte.
Was hatte er verbrochen? Vielleicht den schönen Schraubenfuß einer anderen gelobt? Ach, die Mädchen sind so schwer zu verstehen, und nun gar eine Zerebrin. Kurz und gut, sie ist ungehalten.
Zu seinem Unglück kommt ein Mensch auf seinem Luftrade der Ungnädigen zu nahe. Der Windzug stört sie, ein Tritt von ihrem Schraubenfuß, und der Arme stürzt hinab.
Wie grausam! braust Herr Zerebrus auf.
Es ist ja nur ein Mensch! sagt sie wegwerfend.
Nur ein Mensch? Glaubst du denn, daß ein Mensch nicht auch Empfindung besitzt, denkt und fühlt?
Wenn er mich aber inkommodiert?
So verdient er doch Rücksicht wie jedes lebende Wesen. Aus den Menschen erst hat sich unser Geschlecht zu solcher Vollkommenheit entwickelt, und du kannst nicht wissen, ob du nicht einen Urahnvetter deines Geschlechtes verletzt hast.
Jetzt bist du aber unartig, sagte sie zürnend. Von diesen unverständigen Tieren sollen wir abstammen, die nur heulen und krächzen können und nicht einmal von selbst fliegen? Und wir, mit unserer Weltanschauung – ich bitte dich!
Und doch verstehen sie untereinander ihre Sprache geradeso wie wir die unsere, und wenn sie sich auch auf einer niederen Entwicklungsstufe befinden, wenn ihnen auch vielleicht die Anschauung des Unbedingten abgeht, so fühlen sie den Schmerz wie du und freuen sich ihres Lebens wie du; die Empfindung ist relativ und dem Menschen ebenso wertvoll wie dem Zerebrer. Unrecht ist es daher, ihn zu quälen oder zu töten. Vielleicht wartet jetzt vergebens die einsame Geliebte auf den Zermalmten.
Oh, du bist abscheulich! Mir solche Vorwürfe zu machen und mit einem Menschen mich zu vergleichen!
Du liebst mich nicht! So gehe doch zu deiner einsamen Menschin und tröste sie! Wenn sie so gefühlvoll ist, was brauchst du mich? Geh nur!
Was sollte er tun, als um Verzeihung bitten?
Aber sie war hartnäckig.
So rasch geht das nicht, sagte sie.
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