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Traumkristalle

Traumkristalle

Titel: Traumkristalle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurd Laßwitz
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wichtigsten Elemente blieben, zumal in den südlicheren Gegenden der Erde, völlig erhalten. Die Luftschiffe verkehrten, die Telegrafen spielten, die Wissenschaften wurden noch gepflegt; aber es vergingen fünf Jahrhunderte, ehe die barbarischen Einwanderer, jetzt eng vermischt mit der mittelländischen Rasse, sich auf eine gleiche Stufe der Kultur geschwungen hatten, wie sie am Ende des dritten Jahrtausends blühte. Diese Unterbrechung war jedoch verbunden mit einer Regenerierung der Kultur, welche ebenso notwendig als erfolgreich eintrat.
    Es hatte in den Jahren bis zum 35. Jahrhundert ein Stillstand stattgefunden, in welchem die Kräfte der Menschheit allein dazu gebraucht zu werden schienen, sich wieder heimisch zu machen auf der erschütterten Erde. Jetzt erst kam hier und dort der Gedanke auf, daß doch wohl ein Fortschritt noch möglich sei. Es waren wieder Elemente vorhanden, welche an sich selbst die Erfahrung fortschreitender Entwicklung machten. Die in die Geschichte eingetretene Rasse sah nicht zurück auf Jahrhunderte des Verfalls, sondern rastlosen Fortschritts, und daraus folgte, daß sie selbst die Hoffnung daran knüpfte, dieser Fortschritt der Entwicklung werde andauernd möglich sein. So wuchs der Mut der Menschheit und ihr Vertrauen auf die Zukunft aufs neue; mit frischer Kraft begann sie zu arbeiten und den Ausbau der Zivilisation zu vollenden, wo er am Ende des dritten Jahrtausends stehengeblieben war.
    Aber zunächst schien die wieder auftretende Sorge, die Erde sei zum zweiten Male der Übervölkerung nahe, die Arbeit zu lähmen. Schon begann die Armut sich geltend zu machen und ein sozialer Notstand von ungeheurer Ausdehnung brach hervor. Aber die frischen Kräfte, mit denen die Menschheit ans Werk ging, bargen in sich selbst die noch unbekannten Heilmittel der eintretenden Übelstände. Die arktische Rasse, als sie in Berührung mit der Zivilisation trat und diese in sich aufnahm, brachte mit dem erneuten Mute, mit der Idee des möglichen Fortschritts auch ein neues Prinzip in die Kulturgeschichte. Hatte die mittelländische Rasse hauptsächlich nur daran gedacht, durch äußere Mittel die Machtstellung der Menschheit zu verbessern, so brach sich jetzt der Gedanke Bahn, daß die Organisation des Menschen selbst sich ändern und akkommodieren müsse den Anforderungen, welche durch die veränderte Gestaltung der Bevölkerungsverhältnisse und des Kulturzustandes an sie gestellt würden. Das Gefühl, daß eine solche Umgestaltung des Lebens nötig sei, machte sich allgemein in den Geistern geltend; aber noch wußte man nicht, worin nun der Tat nach diese Umgestaltung bestehen werde – noch war es ein Tappen im Dunkeln, erst ein Suchen nach dem Lichte. Man arbeitete rastlos an Erweiterung der Erkenntnis, namentlich pflegte man die Erforschung des Organischen; hier vor allem erwartete man die Geheimnisse des Lebens zu ergründen. Da kam die Erlösung.
    Wie auf die Gärung der Geister zur Zeit der Renaissance im vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert die großen Entdeckungen von Gutenberg und Kolumbus in die Wirklichkeit des Lebens völlig umgestaltend eingriffen, so daß von jener Zeit an eine neue Epoche der Geschichte gerechnet werden mußte, so folgten nach dem noch unerforschten Gesetze der Periodizität, das der Erdentwicklung zugrunde zu liegen scheint, auch jetzt fast zu gleicher Zeit zwei neue Entdeckungen, welche in ihren Folgen bald sämtliche Verhältnisse modifizieren und damit eine neue Zeit und eine ungeahnte Machtentwicklung der Menschheit einleiten sollten. Im Jahre 3614 entdeckte Molekulander die künstliche Zusammensetzung des Eiweißes, und im Jahre 3616 erschien das unsterbliche Werk einer Dame, die den merkwürdigen Namen Schnuch führte, unter dem Titel „Vollständige Theorie der Gehirnfunktionen“. Und damit war die Morgenröte einer neuen Kulturepoche angebrochen, deren Glanz bald strahlend über der Erde aufging.
    Mit einem Schlage war das Gespenst der Nahrungssorgen von der Erde verschwunden. Denn unmittelbar aus den Elementen, welche Wasser, Luft und Fels zur Genüge boten, machte man nicht nur künstliches Brot, sondern auch künstliches Fleisch, das heißt eiweißhaltige Substanzen, welche kräftige und wohlschmeckende Nahrung gewährten, und das mit einer Billigkeit, welche die Schrecken des Hungers für immer vertrieb. Die Theorie der Gehirnfunktionen aber ermöglichte jene direkte Einwirkung auf das Gehirn der Menschen, welche für die ideale Gestaltung des

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