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Traumkristalle

Traumkristalle

Titel: Traumkristalle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurd Laßwitz
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Empfindung (A), diese Molekularkonstruktion (b) bedeutet dieses bestimmte Gefühl (B) des Subjekts, so konnte man erfahrungsmäßig gleichsam ein Wörterbuch der geheimnisvollen Sprache der Seele zusammenstellen, welches auf der einen Seite die berechnete Bewegung, auf der anderen die erfahrene Empfindung enthielt. So war es möglich, rein subjektive Vorgänge einer objektiven Untersuchung zu unterwerfen und die seelischen Erregungen in mechanischen zu erkennen und zu studieren, wie man die chemischen Vorgänge auf entfernten Welten in den optischen im Spektrum verfolgte.
    Der Psychokinet oder die Gehirnorgel war nun ein Instrument, welches gestattete, unmittelbar, ohne Vermittlung der Sinne, auf das Bewußtsein durch direkte Reizung der betreffenden Gehirnpartien zu wirken. Man machte sich auf diese Weise unabhängig von den spezifischen Sinnesenergien, vermöge deren der Mensch eben nur fühlen, sehen, schmecken, riechen oder hören konnte. Man vermochte gesetzmäßig geordnete Reihen von Gedanken oder Empfindungen unmittelbar im Zentrum des Bewußtseins hervorzurufen.
    Eine besondere Gattung der Kunst, welche die Königin der Künste genannt werden darf, hatte sich infolgedessen entwickelt. Sie hieß einfach Psychik. Die Psychiker konnten ihre Stimmungen sowohl unmittelbar durch den Psychokineten, welcher ihr Gehirn mit dem der Zufühler verband, diesen mitteilen, sie konnten aber auch durch einen besonderen Schreibpsychokineten ihre Stimmungskompositionen grafisch darstellen, so daß dieselben mit Hilfe eines Lesepsychokineten „nachgefühlt“ werden konnten. Lyrika, deren eigentlicher Name Gruse-Säusel nur von ihren Neidern gebraucht wurde, war sowohl Komponistin als Phantastin; heute wirkte sie im großen Psychäon-Gebäude unmittelbar von Gehirn zu Gehirn. Das unbeschreibliche, der Sprache unendlich überlegene Meer der Stimmungen wogte in ihrem Gehirn und teilte sich durch den Psychokineten unmittelbar dem Gemüte der Zufühler mit.
    Außer den echten Künstlern der Psychik gab es natürlich auch unzählige Dilettanten. In der Tat eignete sich kein Instrument mehr zum Dilettieren als der Psychokinet. Es gab deren mit Uhrwerken, wie unsere Spieldosen, und dies war eigentlich die ursprüngliche Form, von welcher der Name „Gehirnorgel“ entstanden war. Man setzte eine Walze ein, die man fertig kaufte oder – worin eben die Kunst bestand – mit Stiften nach eigener Phantasie versah, stülpte dann das Instrument auf den Kopf und konnte nun seinen Beschäftigungen nachgehen, nicht anders behindert als in früheren Jahrtausenden durch das Rauchen einer Zigarre. Dazu kam noch der erfreuliche Vorteil, daß der Psychokinet nicht, wie die musikalischen Instrumente oder das Geruchsklavier oder das Tabakrauchen, unfreiwillige Teilnehmer an den Genüssen mit sich brachte, sondern daß niemand gezwungen wurde, Ohr oder Nase den künstlerischen Versuchen zu leihen – man hätte ihm denn mit Gewalt den Apparat aufstülpen müssen. Die Gehirnorgel war ein sanftmütiges, bescheidenes, ein subjektives Instrument, die vom Psychokineten nicht angegriffenen Gehirnpartien lösten wissenschaftliche Probleme, schlossen Geschäfte ab oder leiteten eine Fabrik, während die übrigen unter den Strömen des Psychokineten in den herrlichsten und süßesten Stimmungen schwelgten, unabhängig von der schweren Welt der Sinne.
    Doch zurück zu unseren Freunden im eleganten Taucheranzuge. Sie wandten sich fort von den Vergnügungslokalen in den „Gärten des Okeanos“ nach den weniger besuchten Partien der Anlagen, welche sich hier nach Südosten viele Meilen weit auf dem Grunde des Meeres hin- und an den Gestaden der Kanarischen Inseln hinaufzogen. Aber auch diese ließen unsere Freunde links liegen, und indem sie vermöge ihrer Schraube mit reißender Geschwindigkeit hinglitten, schlugen sie eine südwestliche Richtung ein.
    „Wissen Sie, verehrter Freund“, sagte der Kleinere von ihnen, „ich begreife nicht, warum Sie mich hier in diese Einsamkeit begleiten. Ich bin Ihnen zwar herzlich dankbar dafür, aber ich habe kein Recht, Ihnen das Opfer zuzumuten, noch zwei Stunden bis zur großen Ozeansenkung mitzuschwimmen. Wir befinden uns jetzt erst 25 Grad 15 Minuten 22,7 Sekunden nördlicher Breite und 46 Grad 16 Minuten 34,6 Sekunden westlicher Länge von der Zentral-Sternwarte.“
    Bei den letzten Worten hatte er sein Taschen-Klinatorium gezogen. Es war dies ein kleines Instrument, welches aus der Neigung und Ablenkung der

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