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Traumkristalle

Traumkristalle

Titel: Traumkristalle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurd Laßwitz
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bangen
     
    In schwebender Pein,
    Himmelhoch jauchzend,
    Zum Tode betrübt –’
     
    aber die Schlußzeilen fielen mir nicht ein.“
    Forbach sah Amalie fragend an und sagte zu Siebler:
    „Und wie malte Ihnen der Traum diese Stimmung? Denn der Traum spricht nur in Bildern.“
    „Ganz richtig, nur konnte ich sie nicht festhalten und muß mich begnügen, Ihnen den Gesamteindruck zu schildern. Das wesentliche Moment aber war dieses. Es wurde über das Traummonopol abgestimmt, und schließlich hatte ich die entscheidende Stimme abzugeben. Ich stimmte dafür, es ging durch, und sofort auch war ich Traumminister. Ja, ich war verantwortlicher Chef des gesamten kolossalen Apparats der Schlaf- und Traumverteilung. Ich steckte bis an den Kopf in Seifenblasen, die ich fortwährend nach allen Seiten hin verteilen mußte, indem ich unausgesetzt in den Haufen hineinblies; da flogen sie nach jeder Richtung, und immer neue quollen hervor. In einem ungeheuren Amphitheater aber saß das gesamte Volk, jedem einzelnen flog eine Seifenblase an den Kopf und zerplatzte; sie wurde zu Glasscherben, die man mir mit Grimassen zurückwarf, und bald steckte ich bis an die Brust in den scharfen Splittern. ‚Das ist nicht mein Traum’, schrie der eine; ‚ich will einen andern’, der zweite; ‚heute will ich gar keinen’, der dritte; ‚das ist ja erbärmliches Zeug’, der vierte; und so ging es weiter mit Beschwerden, und jedesmal flogen mir die Scherben um den Kopf. Jetzt sah ich, daß es gar nicht die Leute waren, welche riefen, sondern ringsum saßen große, gedruckte Zeitungslettern, und ein riesiges Ausrufungszeichen schrie mich an: ‚Sehen Sie, Exzellenz Siebler, jetzt nehmen wir den Traumetat vor, und jetzt sollen Sie einmal die ganze Geschichte, die Sie uns haben träumen lassen, wieder zurückträumen, aber von hinten nach vorn.’ Dabei wuchs der Scherbenberg um mich immer höher, ich jedoch wuchs selbst mit ihm und trat die Trümmer unter die Füße. Das schmerzte mich, aber das Herz schwoll mir voll Stolz, mir war es, als seien all die tobenden schwarzen Gestalten Stücke von mir, und als müßte ich mich ihnen hingeben, um sie zu erquicken und zu sättigen mit meinem Lebensatem. Und ich blies und blies mit aller Kraft neue und neue Traumblasen in die Menge. Mächtiger und mächtiger quollen sie hervor und bedeckten die ganze Versammlung. Der Atem begann mir auszugehen, die Brust wollte mir springen, so gewaltig blies ich; und ich glaubte sicher, jetzt müßten alle mir danken; denn ich hatte das Volk ganz umhüllt mit rosigen Träumen. Wieder aber flogen die Splitter zu Boden, die Tribünen wuchsen höher und höher, und hernieder toste es: ‚Wir wollen deine uniformierte Weltstimmung nicht! Nieder mit dem Normaltraum!’ Ich aber rief dagegen: ‚Nehmt, was ich habe, mehr kann ich nicht geben!’ So blies ich mit meiner letzten Kraft Wolken von Seifenblasen hervor, und ich hatte ein Gefühl, als zerstöbe ich in Millionen Teile. Die Leute ringsumher haschten danach, hielten sie vor die Augen und warfen sie wütend fort., Auf jeder Traumblase ist sein Bild!’ schrien sie. ‚Nun sollen wir ihn selber träumen!’ Da flog mir ein Splitter ins Auge, das war, als ginge ein neues Licht rings um mich auf, und ich sah zu meinem Entsetzen, daß all die Seifenblasen im ganzen Raum mein eigenes Bildnis trugen, überall sah ich nur mich selbst; ich blies nicht mehr, aber immer aufs neue quollen die Blasen mit meinem Ebenbild hervor, sie häuften sich um mich und drohten mich zu ersticken; nur dumpf noch grollten in der Ferne die zornigen Stimmen, und vergebens griff ich mit den Armen umher, um mich an einen Menschen zu klammern außer mir – so wachte ich auf, in Angstschweiß gebadet. Und da schwor ich mir, ferner nicht mehr – nun, kurz und gut, die Traumpolitik ist mir verleidet.“
    Erregt durch die Erinnerung schritt er im Zimmer auf und ab.
    „Du hattest“, sagte Forbach leise zu seiner Braut, „dein Traumkissen –“
    Amalie nickte mit dem Kopf.
    „Verrate mich nicht“, bat sie.
    „Nein“, sagte Dormio; „aber du siehst die Folgen der künstlichen Traumbeglückung. Wir können nur allgemeine Züge vorzeichnen, über den Erfolg entscheidet stets die Individualität. Denn das Traumbild ersteht aus dem Vorrat der im Bewußtsein angesammelten Vorstellungen nach Maßgabe der gewohnten Assoziationen. Dadurch sondert sich das Ich vom Ich, und die unendliche Mannigfaltigkeit dieser Wirklichkeit vermag keine

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