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Traumkristalle

Traumkristalle

Titel: Traumkristalle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurd Laßwitz
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Traumvorsehung, kein klügelndes und wohlgemeintes Denken zu überblicken, geschweige denn zu regeln. Dein Traumkissen lieferte Selbstgefühl und Aufopferung; aber was bei dem Liebenden sich in freundliche Harmonien löst, bei dem Parteimann geht es in beängstigenden Kampf über. Das Glück der Liebenden wächst mit der Hingabe der Persönlichkeit, das Glück der Völker fordert die freie Entwicklung der Einzelart.“
    „Aber“, unterbrach ihn Amalie fragend, „dann steht es doch mit deiner Traumfabrikation eigentlich recht bedenklich.“
    „Nicht schlechter und nicht besser als mit allen anderen menschlichen Vorausberechnungen. Das Leben ist zu bunt, glücklich allein ist die Seele –“
    „Stoßen wir an“, sagte Siebler, wieder an den Tisch tretend, „auf den glorreichen Sieg des Menschengeistes über das Schicksal, auf die Herrschaft des Kunsttraums, des sicheren Führers des Kulturfortschritts!“
    Die Gläser klangen, die Liebenden drückten sich die Hände. In ihren Augen lasen sie etwas, das sicherer war als Schlaf und Traum!

 
Aus dem Tagebuch einer Ameise
     
    VORBEMERKUNG
     
    Wir verdanken die Entdeckung der Sprache und Schrift der Ameisen den Bemühungen des berühmten Entomologen Antenna. Bekanntlich leben in den Gemeinden dieser hochorganisierten Tiere nicht bloß Männchen, Weibchen, geschlechtslose Arbeiter und sog. Krieger oder Führer mit größeren Köpfen, sondern auch Haustiere, insbesondere ein kleiner Käfer (Claviger), von welchem man nicht wußte, welche Bedeutung er für die Ameisen besitzt. Antenna ist es gelungen nachzuweisen, daß dieser Käfer die lebendige Bibliothek der Ameisen vorstellt. Die Sinneswahrnehmungen der Ameisen beruhen auf Ätherwellen von 800 bis 2000 Billionen Schwingungen in der Sekunde, deren Geschwindigkeit somit jenseits derjenigen liegt, welche für unser Auge als Licht wahrnehmbar sind. Antenna ermöglichte es, durch ein Fluoreszenz-Mikroskop jene Ätherschwingungen so zu verlangsamen, daß sie für unsere Sinneswerkzeuge bemerkbar werden. Dadurch zeigte er, daß die Ameisen gegenseitig in einer Fühlersprache verkehren, die er Chemisieren oder Übertasten nennt, und daß sie dieselbe, ähnlich wie wir Schallwellen auf den Phonographen, auf die Keulenkäferchen übertragen, welche sie ihrerseits jederzeit reproduzieren können. Die Ameisen haben also den Menschen in der Kultur insoweit überflügelt, daß ihre Haustiere nicht nur zur mechanischen, sondern auch zur intellektuellen Arbeit abgerichtet werden. Wir sind in der Lage, im Nachfolgenden die Übersetzung eines Ameisentagebuches zu veröffentlichen, welches auf 82 Keulenkäferchen chemisiert war. Wir haben dabei häufig die umständlichen Umschreibungen der Ameisensprache durch die uns geläufigen Ausdrücke ersetzen müssen; selbstverständlich geschah dies überall dort, wo es sich um die Wiedergabe ursprünglich menschlicher Äußerungen handelt. Über das Nähere des sehr schwierigen technischen Verfahrens, die Tastungen der Keulenkäferchen zu fixieren, müssen wir auf das Originalwerk Antennas verweisen, welches in lateinischer Sprache unter dem Titel: „De formicarum lingua et litteris“ bei Gebrüder Emswind in Flausenheim erschienen ist.
     
    Tagebuch
     
    Eiersonne 10.
    Große Frühjahrsräumerei. Die Arbeiter sind mit den Kleinsten draußen im ersten Sonnenschein, der Stock ist fast leer. Wir Führer sitzen noch in den Winterzellen und denken nach. Es ist jetzt die schönste Zeit im Stock, ich will sie benutzen, um mich einmal gründlich in der neueren Literatur umzusehen. Ich habe angefangen das vielgerühmte Buch von Ssrr zu studieren: „Leben und Treiben des Menschen.“
    Es ist zwar rotameisenisch geschrieben, aber ich verstehe es ganz gut. Etwas idealistisch, viel Hypothese – indes, die Roten sind einmal so. Weil sie keine Sklaven halten, bilden sie sich ein, an der Spitze der Zivilisation zu marschieren. Nun, wir sind schließlich doch alle Ameisen, und ein Boden ist unter uns allen!
     
    Eiersonne 12.
    Ssrr behauptet wahrhaftig, der Mensch besitze Intelligenz! Er soll allerdings Gehirn haben, aber dann müßten doch seine Fühler am Kopfe und nicht an den Brustringen sitzen.
     
    Larvensonne 2.
    Ich überzeuge mich mehr und mehr, daß Ssrr recht hat; der Mensch scheint in der Tat unter den ungeschlachten Bestien, die man Knochentiere nennt, den ersten Rang einzunehmen. Bisher hatte ich immer die Vögel für die bevorzugtere Klasse gehalten, nicht nur, weil sie uns am

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