Traumkristalle
–“
„Ja, ich bitte Sie, Dr. Mieriger ist ja nicht Mediziner –“
„Nicht möglich! Was denn?“
„Direktor einer Lebensversicherungsbank.“
„Dann freilich! So will ich mich sogleich entschuldigen.“
Es klopfte, und ein höchst eleganter, etwas stutzerhaft gekleideter Herr trat ein.
„Ich wollte mir die Frage erlauben“, sagte er, „ob Signora Muratori an die Traumleitung angeschlossen ist.“
„Gewiß, Nummer 117.“
„Dann bitte, heute nacht unausgesetzt meinen Namen einzuflüstern: Alboin von Marzheim.“
„Können Sie sich über den persönlichen Auftrag des Fräuleins ausweisen?“
„Das nicht, ich handle in meinem eigenen Auftrage.“
„Dann bedauern wir, Ihren Wunsch nicht erfüllen zu können. Wir dürfen nach dem Traumgesetz nur Anträge von den betreffenden Personen selbst ausführen.“
„Aber bitte, machen Sie hier eine Ausnahme. Bin sterblich verliebt – aussichtslos! Ich habe einen ähnlichen Fall gelesen, in welchem die Mutter dem unglücklichen Liebhaber Namenseinflüsterung gestattet, worauf Traum, Beschäftigung mit seiner Person, Neigung, Verlobung. Wollen Sie gefälligst beliebigen Preis bestimmen, kommt mir nicht darauf an.“
„Mein Herr“, sagte Forbach, „ich kann nicht weiter mit Ihnen verhandeln. Die geringste Pflichtverletzung würde mich für mein verantwortliches Amt unbrauchbar machen. Niemals werde ich von den gesetzlichen Vorschriften abweichen.“
Kaum hatte sich Herr von Marzheim unwillig entfernt, als Forbach sich wieder zur Unterhaltung mit seiner geliebten Amalie anschickte. Diese hatte sich inzwischen ausgedacht, Forbach solle für ihren Vater ein besonders präpariertes Traumkissen senden, das sie ihm heimlich unter den Kopf legen würde. Seinen Lieblingsneigungen wollte sie damit entgegenkommen; eine Jagd, ein gutes Diner, eine lustige Unterhaltung konnten leicht durch passende Reize ins Traumbewußtsein gehoben werden; war dadurch die gute Laune des Vaters gesichert, so wollte sie ihm ihre Verbindung mit Dormio Forbach durch Einflüsterung als einen trefflichen Gedanken erscheinen lassen. Auf diese Weise hoffte Amalie, die morgen bevorstehende Werbung am besten vorzubereiten.
Aber wie war sie enttäuscht, als Forbach diesen Plan rundweg verwarf. Er dürfe nun einmal ohne Einwilligung des Träumenden keinen Einfluß ausüben, selbst nicht, wenn sie, die Tochter, die Verantwortung übernehme. Vergebens bat und schmeichelte Amalie; so hart es ihm ankam, Dormio blieb fest; er erzählte ihr, wie er eben genötigt gewesen sei, Herrn von Marzheim abzuweisen, und berichtete von ähnlichen Anfechtungen, die ihm häufig genug begegneten. Dann betonte er die Gefahr, die in der zufälligen Entdeckung des Traumkissens durch Siebler läge. Welche Handhabe wäre ein solcher Vorfall gegen die Zuverlässigkeit der privaten Traumanstalten! Endlich aber, da Amaliens Starrköpfchen dies alles nicht gelten lassen wollte, machte er sie darauf aufmerksam, daß der Erfolg selbst ganz unsicher sei. Man könne nicht wissen, ob nicht gerade die Erwähnung seines, Forbachs, Namens zusammen mit dem Amaliens die heiter stimmende Traumwirkung wieder aufhebe und einen Unlusttraum erzeuge, der nun als Warnung für das wache Handeln wirken und somit ihren Plänen gerade entgegenarbeiten würde.
Amalie schmollte. Wenn Dormio so eigensinnig sein wollte, so möge er nun auch zusehen, wie er morgen mit dem Papa fertig werde; und so sagte sie ihm in etwas gepreßter Stimmung „Gute Nacht“.
Der vergötterte Schlaf, von allen als Friedensbringer gepriesen und darum zum Objekt hartnäckigsten Streites gemacht, der gehorsame Begleiter der väterlichen Reden, wollte der Tochter nicht nahen, die ihr Haupt in stetem Nachsinnen auf dem heimlich ihr von Forbach geschenkten Traumkissen umherwarf. Dormio verdiente es zwar nicht, daß sie sich um ihn kümmerte, aber wenn er morgen beim Vater kein Gehör fand, mußte nicht sie am meisten darunter leiden? Konnte sie denn gar nichts tun? Als Kind ihrer Zeit und Weib aller Zeiten kam sie von dem einmal gefaßten Gedanken an die Wirksamkeit des Traumes nicht hinweg. Aber das einzige, was sie zur Verfügung hatte, war ihr eigenes Traumkissen, mit Traumgas gefüllt und mit jenen ewigen Melodien ausgerüstet, welche Liebessehnsucht von jeher und überall in den Menschenherzen geweckt hat –
„Freudvoll und leidvoll,
Gedankenvoll sein,
Langen und bangen
In schwebender Pein,
Himmelhoch jauchzend,
Zum Tode betrübt,
Glücklich
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