Traumkristalle
Wahrhaftig, man wünschte manchmal ein unvernünftiger Mensch zu sein und in den Tag hinein zu leben. Was kennt so ein Mensch für Sorgen? Sie haben weder Eier, noch Larven, noch Puppen, und daß sie wirklich Haustiere und Sklaven halten sollten, wie Ssrr behauptet, kann ich nicht glauben. Wozu könnten sie die brauchen? Wenn sie auch ihre Jungen mit den Fühlern bearbeiten, was auf eine gewisse rudimentäre Erziehungskunst deutet, so hat doch jeder seine eigenen Kinder – Staatskinder kennen sie nicht. Welch niedriger Standpunkt!
Arbeitersonne 15.
Ich bin ganz erstaunt und betroffen! Was hat doch unser Geist schon entdeckt! Die Menschen können sich wirklich gegenseitig Mitteilungen machen. Eine Sprache im eigentlichen Sinne haben sie freilich wohl nicht, sie müßte denn auf so langsamen Schwingungen beruhen, daß unser feineres Organ sie nicht aufzufassen vermag. Ihre Sinne müssen überhaupt sehr grob gestaltet sein. Ssrr hat z.B. nachgewiesen, daß der Mensch in der Nacht absolut nicht sehen kann. Es kommt vor, daß Menschen, die in der Nacht nach Hause kommen, den Eingang zu ihrem Stock nicht finden.
Puppensonne 1. Es wird wirklich eine Expedition zur Erforschung der Menschen ausgerüstet, aber man ist davon abgekommen, sie ins Gehirn zu schicken, sie soll sich vielmehr mit der Entdeckung der menschlichen Sprache beschäftigen. Man hat eine Beobachtung gemacht. Wenn ein Mensch für einen andern eine Mitteilung hinterlassen will, so überträgt er nicht, wie wir, seinen Gedankenprozeß durch Fühlerschwingungen chemigraphisch auf den lebendigen Organismus eines Keulenkäferchens, welches denselben jederzeit reproduzieren kann, sondern er verändert mit Hilfe eines Saftes die Oberfläche einer hellen, blattartigen Substanz an ganz bestimmten Stellen, so daß darauf Zeichen entstehen. Der andere Mensch hält dieselben vor seine Augen und ist auf eine uns unbekannte Weise imstande, daraus die Meinung des ersten zu erkennen. Es muß wohl aber dieses Mitteilungsmittel ein ziemlich unvollkommenes sein, da man nach dieser Operation Menschen häufig den Kopf schütteln sieht, was man für ein Zeichen des Mißbehagens hält. Ssrr nennt jenen Saft „Tinte“, er soll bei den Menschen sehr hoch geschätzt sein und in einer besonderen Drüse, dem Tintenfaß, abgesondert werden. Diejenigen Menschen, welche das größte Tintenfaß haben, sollen im höchsten Ansehen stehen und von den andern gefürchtet werden. Ich vermute, daß jener Saft ähnlich ätzende Eigenschaften wie unsere Säure hat und im Kampfe ausgespritzt wird. Ob er auch giftig wirkt?
Puppensonne 3.
Man merkt, daß es Sommer ist. Wir haben schon eine Menge Puppen im Stock, ich glaube, es wird ein gutes Jahr. Einige von unsern Müttern fangen an recht alt zu werden. Die gute Xrr ist seit zwei Jahren nicht aus dem Stock gekommen, einen Menschen hat sie noch nie gesehen. Daß es solche Wesen gebe, hält sie für einen Aberglauben. Als ich ihr sagte, daß ein Mensch mit einem Schritt über einen ganzen Bau hinübersteigen könne, schlug sie die Fühler über dem Kopfe zusammen, und nur, daß er auf bloß zwei Beinen geht, beruhigte sie einigermaßen. Sie fand diese Geschichten von den Menschen sehr unschicklich und wollte nichts weiter hören. Dann aber fragte sie doch, ob bei den Menschen die Weibchen in der Jugend auch Flügel hätten und sie dieselben wie bei uns nach der Hochzeit ablegten. Ich erinnerte mich, bei Ssrr gelesen zu haben, daß es geflügelte Menschen gäbe, welche sie Engel nennen, und daß die jungen Weibchen von den Männchen öfter „mein Engel“ genannt würden, wenn sie älter sind aber nicht mehr. Daraus ist wohl zu schließen, daß auch die Menschen nach der Hochzeit die Flügel verlieren.
Puppensonne 7.
Daß die Menschen auch religiöse Vorstellungen besitzen, hätte ich nicht geglaubt. Dennoch ist nach den Forschungen von Ssrr kein Zweifel daran, wiewohl es sich nur um einen ziemlich rohen Fetischdienst handeln dürfte. Sie haben nämlich eine besondere Art runder Platten von einem schweren, glänzenden Stoffe mit der Abbildung eines menschlichen Kopfes, die sie als ihre Götzen anbeten. Sie verehren dieselben über alles und tragen immer einige bei sich. Wer keine solche Götzenbilder besitzt und vorzeigen kann, wird als ein verworfener Mensch betrachtet und aus der menschlichen Gesellschaft ausgestoßen. Er kann es zu keiner angesehenen Stellung bringen und erhält nicht einmal die nötigsten Nahrungsmittel.
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