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Traumkristalle

Traumkristalle

Titel: Traumkristalle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurd Laßwitz
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Wer dagegen von jenen Götzenbildern eine große Menge in seinem Bau aufgehäuft hat, wird als ein heiliger Mann verehrt, alle beugen sich vor ihm, und er kann sogar die so hochgeschätzten Tintendrüsen für einige Götzenbilder erhalten.
     
    Puppensonne 11.
    Ein bewegter Tag. Die Arbeiter waren damit beschäftigt, unsern diesjährigen Erstlingen beim Auskriechen behilflich zu sein. Während sie ihnen die Puppenhülsen aufbissen und abzogen, saß ich wieder über meinem Ssrr, dem großen Erforscher der Menschen, den ich mehr und mehr verehren lerne. Hat er uns doch eine neue Welt eröffnet, einen Blick in den ungeahnten Reichtum der Natur an merkwürdigen Gestalten, und in jeder zeigt sich die Weisheit der unendlichen Uremse. Der Mensch, dieses riesige, täppische Tier, wie gefährlich wäre er unseren Staaten, wenn er bei seiner zweifellosen Intelligenz zugleich die idealen Triebe der Ameise besäße! So aber begnügt er sich mit der Anbetung seiner blanken Götzen, und sein ganzes Streben ist darauf gerichtet, möglichst viele derselben anzuhäufen. Und dies nicht etwa für die Gemeinschaft, sondern ein jeder sorgt nur für sich; eben hier zeigt sich die Weisheit des Schöpfers, daß er die Kräfte dieser gefährlichen Riesen zersplittert und sie zu einem Kampfe des einzelnen gegen den einzelnen antreibt. Wie dankbar müssen wir sein, daß wir als Ameisen ausgekrochen sind!
    Mit derartigen Gedanken war ich beschäftigt, als wir plötzlich eine gewaltige Erschütterung des ganzen Baus verspürten. An einer Stelle drang das Tageslicht ein. Die Arbeiter stürzten sich auf die Larven und Puppen, um sie in Sicherheit zu bringen, während wir Führer zur Abwehr des Angriffs hinauseilten. Wir bemerkten, daß ein Mensch mit einem Baume – sie nennen es einen Stock – in unsern Bau gestochen hatte. Er stand ganz ruhig und sah offenbar zu, was wir beginnen würden. Sofort ging eine Anzahl Arbeiter an die Ausbesserung, während ein Häufchen mutiger Führer sich auf die Füße des Menschen stürzten und an ihm hinaufkletterten. Wir drangen durch das dicke Gewebe seiner Oberhaut und zwickten, stachen und spritzten dermaßen, daß der Mensch bald die Flucht ergriff. Leider hatten wir dabei große Verluste, nur wenigen, darunter mir, gelang die rechtzeitige Rettung. Denn, höchst seltsam, sobald der Mensch einige Schritte in ein Gebüsch sich zurückgezogen hatte, begann er sich zu häuten, unsere Truppen abzuschütteln und zu zertreten. Alsdann aber schlüpfte er wieder in seine Haut hinein und ging von dannen. Bei der Untersuchung des Kampfplatzes erkannten wir, daß auch der Mensch Verluste erlitten hatte. Unter den welken Blättern des Bodens fanden wir neben den Leichen unserer Tapferen zwei der blanken Götzenbilder und eine aufgesprungene Kapsel, in welcher sich ein weicher, gelblicher Gegenstand befand, wie es schien, eine Locke menschlichen Haares. Wir beschlossen sofort die erbeuteten Gegenstände in den Bau zu schaffen, sie waren jedoch zu schwer, und wir mußten daher erst nach Beihilfe schicken. Inzwischen schleppten wir wenigstens die Haarlocke ein Stück vorwärts. Während wir damit beschäftigt waren, kehrte der Mensch zurück, indem er offenbar am Boden etwas suchte, vermutlich seine Götzenbilder. Da wir zu schwach waren, um den Kampf wieder aufzunehmen, verbargen wir uns. Als der Mensch endlich mit seinen blöden Augen die Kapsel erkannte, stürzte er freudig darauf zu und hob sie auf; doch schien er äußerst enttäuscht, als er die Locke nicht darin fand. Die Götzenbilder beachtete er merkwürdigerweise gar nicht. Endlich entdeckte er die Locke, wo wir sie verlassen hatten. Er nahm sie auf und drückte sie wiederholt an seine Lippen, dann barg er sie samt der Kapsel sorgfältig in einer Falte seiner Haut. Diesen Vorgang kann ich mir nicht erklären. Was konnte dem Menschen an dem bißchen Haar liegen, da er selbst einen ganzen Schopf besaß? Es müssen im Menschen noch Vorgänge stattfinden, welche uns unerklärlich sind. Instinkt oder Überlegung?
    Die Götzenbilder schafften wir später mit großer Mühe in unsern Bau, wo sie den Grundstock eines Menschenmuseums bilden sollen.
     
    Puppensonne 14.
    Nachrichten von der Expedition. Es sind ganz ungeahnte Entdeckungen gemacht worden. Die Menschen haben außer dem Verkehrsmittel der Tinte in der Tat noch eine andere Sprache mit Hilfe ihrer Kiefer. Dieselben sind bei den älteren Weibchen stärker entwickelt als bei den Männchen. Die beiden

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