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Traumkristalle

Traumkristalle

Titel: Traumkristalle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurd Laßwitz
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eigentümlichen Hervorragungen an den Seiten ihres Kopfes dienen dazu, die Sprache zu verstehen. Wir allerdings können diese nicht wahrnehmen, aber unsere berühmten Physiker Hlmz und Krch haben ein Instrument erfunden, welches die von den menschlichen Kiefern der Luft mitgeteilten Schwingungen in Tastenvibrationen umsetzt und uns dadurch verständlich macht. Nun ist alle Aussicht vorhanden, daß wir mit Hilfe unserer bewaffneten Fühler bald die Menschensprache vollständig beherrschen werden. Auch ein Sehrohr ist konstruiert worden, wodurch wir selbst bei Tageslicht entfernte Gegenstände wahrnehmen können.
     
    Flügelsonne 8.
    Jetzt geht es lustig im Stock zu! Wir haben wieder eine geflügelte Jugend. Mädchen und Knaben tummeln sich draußen, es ist nicht leicht, sie zu hüten. Frei schweben sie in der Luft, wir alten Führer laufen unten herum und sind nicht imstande sie zu tasteln. Nun, das Vergnügen ist ein kurzes – wenige Sonnen, und die Flügel müssen fallen!
     
    Flügelsonne 9.
    Von der Expedition höre ich, daß die Menschen sogar Bücher über uns Ameisen geschrieben haben. Selbstverständlich lauter Unsinn! Von unsern Verkehrsmitteln haben sie keine Ahnung, unsere Organe deuten sie ganz falsch, weil sie sich nach ihren groben Sinnen richten. Sie wissen nicht, wie fein und modulationsfähig unsere Tasterschwingungen sind, und daß die Keulenkäferchen die Fähigkeit haben, diese Tasterschwingungen aufzunehmen, festzuhalten und nach Belieben wiederzugeben. Daher zerbrachen sie sich den Kopf, wozu wir die Keulenkäferchen im Stock halten und füttern, denn sie können nicht begreifen, daß diese unsere lebendige Bibliothek sind. Da bilden sie sich wer weiß was auf ein neues Instrument ein, was einer von ihnen erfunden hat, um die Töne festzuhalten und wiederzugeben. Wir haben einen solchen Apparat an unsern Keulenkäferchen schon seit Tausenden von Rundsonnen im Gebrauch. Und dabei wollen sich die Menschen zu den Kulturtieren rechnen!
     
    Flügelsonne 12.
    Heut hatte sich eine fremde Ameise in den Stock verirrt. Sie suchte sich zu verstecken, aber ein paar Sklaven erwischten sie gleich an den Fühlern. Wir forschten sie über die Verhältnisse ihres Baus aus. Er liegt am Straßengraben, wo alle Tage Menschen vorüberkommen, und es scheinen dort schöne Zustände zu herrschen. Wenn dies so fortgeht, werden sie geradezu entameist. So gehen sie damit um, den Knaben gleich nach dem Auskriechen die Flügel abzubeißen, damit sie nicht mehr frei in der Luft sich umhertummeln und austoben können. Sie sollen sämtlich zu großköpfigen Gelehrten und Führern erzogen werden und werden daher mit Galläpfeln gefüttert, um womöglich eine Tintendrüse wie die Menschen zu bekommen. Von früh bis abend übertastelt man sie mit den eingetrockneten Puppenhülsen früherer Generationen, von denen man annimmt, daß besonders begabte Gelehrte aus ihnen ausgekrochen seien. Die Namen derselben werden in Verse gebracht und müssen von den armen flügelberaubten Jungen auf Käfer übertastet werden. Der eine lautet:
     
    Als edle Puppengreifer merk:
    Bsr. Kits, Mgs, Schns, Prbs, Hms und Zrk.
    Kfs 25 Sklaven fing,
    Brx 20, 22 Lng.
     
    So geht es weiter. Von jedem alten Führer müssen sie wissen, wieviel Sklaven und Puppen er eingebracht und wieviel Feinde er getötet hat. Ich sagte, ich fände das nicht gut, die Knaben hätten von der Natur die Flügel bekommen und verlören sie schon von selbst, wenn sie sie nicht mehr brauchten. Man solle sie nicht vor der Zeit entflügeln. Das ginge vielleicht eine Zeit lang, aber im nächsten Jahre würden sie schon sehen, was sie damit anrichten. Da erwiderte das freche Ding, bei den Menschen wäre es ebenso. Sie wurde hinausgeworfen. Hüten wir uns vor dem Vermenschen!
     
    Flügelsonne 13.
    Die Expedition hat einige hundert Stück Käfer zurückgeschickt, denen sie ihre Erfahrungen über die Menschen übertastet hat. Da gibt es zu studieren. Einzelnes ist gar nicht zu verstehen. Bei uns weiß jeder Arbeiter im Augenblick, was für den Bau zu tun ist, und ohne Zögern legt er Kiefer ans gemeinsame Werk. Bei den Menschen – und dies bemerkte schon Ssrr – hat jeder eine andere Ansicht; viele wechseln ihre Ansicht alle Tage. Aus welchem Grunde ist nicht ganz klar, der Wechsel scheint jedoch von der Windrichtung abzuhängen.
    Unbegreiflich ist folgende Äußerung, die von einem Menschen berichtet wird: „Liebe Frau, ich habe 30000 Mark in der Lotterie gewonnen, sage aber

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