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Traumkristalle

Traumkristalle

Titel: Traumkristalle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurd Laßwitz
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Jüngling am Diamantenturm, der zu mir he rauf starrt.“
    „Im Vertrauen“, sagte die Ampel, „ich sehe sie auch nicht mehr. Es liegt da zwar so etwas, das so aussieht; aber ich blicke in ihre Seele, die ist nicht mehr da, sie ist auf deinen Strahlen zum Diamantturm gezogen.“
    Die Prinzessin fuhr in die Höhe und klingelte.
    „Der Oberhofbibliothekar!“ herrschte sie die Kammerzofe an. „Er soll mir sofort den Gothaischen Hofkalender bringen!“
    Da half nun nichts, der Oberhofbibliothekar, der glücklicherweise noch im Kasino saß, mußte heraus und auf die Bibliothek laufen. Zum Glück konnte er das Buch ausnahmsweise finden, denn es war das einzige Buch, welches die Bibliothek besaß, und so konnte er sich nicht irren.
    Jaja riß ihm den Kalender aus der Hand und schickte ihn fort. „Ich will wissen“, rief sie aus, als sie allein war, „ob ich existiere oder nicht! Hier muß es stehen, oder ich kann es nicht beweisen.“
    Sie suchte und blätterte die ganze Nacht. Die Sonne stieg empor, da war sie mit dem Buche zu Ende, aber das Königreich Drüberunddrunter, den König Hähäh und die Prinzessin Jaja hatte sie nicht gefunden. Eine schöne Redaktion!
    Sie stand nicht im Gothaischen Hofkalender!
    „Man kann es nicht beweisen“, rief sie unter Tränen, „daß ich wirklich bin. O Kräkeleia, existiere ich?“
    Die Decke öffnete sich, Dysthymos Kräkeleia erschien und überreichte Jaja zwei große Filzschuhe.
    „Die Frage hast du gefunden!“ rief Kräkeleia hämisch lachend. „Nun magst du diese Schuhe tragen, bis dir auch die Frage gelöst ist, ob du existierst.“
    Der König, welcher über diese Frage höchst entsetzt war, die Minister und sämtliche Gelehrten des Königreiches bemühten sich zu beweisen, daß die Prinzessin existiere – aber sie konnten sie nicht überzeugen. Die Schmerzen an den Füßen verschwanden nicht. Die Prinzessin wurde bleich und trübsinnig. Nur wenn sie sich in die Nähe des Turmes tragen ließ und dann ein paar Schritte zwischen den Rosen machte, atmete sie wieder auf und vergaß ihren Kummer. Aber sie wagte den Jüngling nicht mehr anzureden, nur ganz von der Ferne warf sie einen Blick auf ihn. Auch er sah so traurig aus!
    „Was machen wir?“ sagte der König zum Großvezier.
    „Eure Majestät“, erwiderte dieser, „geruhten soeben allerhöchst richtig zu bemerken, daß Ihre königliche Hoheit die Prinzessin – heiraten müsse.“
    „Sehr wahr“, sagte der König, „da habe ich wieder etwas sehr Gutes bemerkt.“
    „Aber“, fuhr der Großvezier fort. „Ew. Majestät geruhten zu wissen, daß die Prinzessin keinen Gemahl bekommt, ehe nicht die bewußte Frage gelöst ist.“
    „Sehr gut! Was sagte ich doch gleich weiter?“
    „Daß es demnach in allen Königreichen auszuschreiben sei: Wem es gelinge, der Prinzessin Jaja von Drüberunddrunter zu beweisen, daß sie existiere, der solle die Prinzessin haben und das halbe Königreich dazu.“
    „Das halbe?“ fragte der König. „Sagte ich nicht ein Drittel?“
    „Das halbe ist das gewöhnliche“, meinte der Großvezier, „und wir können uns nicht lumpen lassen – sagten Ew. Majestät.“
    „Nun gut denn!“
    Alsbald drängten sich die Prinzen der benachbarten Königreiche am Hofe von Drüberunddrunter.
    Der Prinz von Sensualien führte seinen Beweis mit großem Aufwände an Pracht und Schaukunst. Ein Orchester und ein Chor von tausend Stimmen brachte der Prinzessin ein Morgenkonzert; er meinte, wenn sie das höre, so werde sie doch wohl merken, daß sie da sei. Die Prinzessin aber sagte nur zu ihrer Dame: „Auf welchem Ohr klingt es mir?“ Er sandte ihr drei Kubikmeter Rosen, aber die Prinzessin sagte nur: „Es riecht nach dem Diamantturm.“ Er ließ ihr zu Ehren ein Feuerwerk abbrennen, das fünf Millionen Taler kostete. Aber sie sagte nur: „Ich habe Funken vor den Augen.“
    Da rief der Prinz:
    „Nun sehen Sie doch, daß Sie existieren! Wie könnten Sie sonst Ohrensausen und Funkensehen haben?“
    „Das beweist nichts“, entgegnete die Prinzessin. „Soviel weiß ich längst, es ist hier etwas, das hört, das riecht, das sieht. Ich rede sogar und kann kratzen, und mir tun die Zehen weh. Aber daß ich es bin, daß ich existiere, das ist ganz etwas anderes. Ich nehme mich nur wahr, wie ich mir erscheine, nicht wie ich bin. Es fehlt mir etwas, ich weiß nur nicht was. Früher war ich Jaja, jetzt bin ich nicht mehr Jaja – ich bin zerflossen, zerstreut, zergangen in alle Dinge – ich bin

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