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Traumkristalle

Traumkristalle

Titel: Traumkristalle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurd Laßwitz
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ihn mit einem unsichtbaren Lichte, und er wußte es nicht.
    Als nun die Prinzessin eines Tages von dem Turm fortging, wandte sie sich einmal plötzlich um und sah, daß die Augen des Oberhofkrondiamantenzerklopfers auf ihr ruhten, und es war, als läge eine tiefe Frage in ihnen. Da dachte Jaja, daß es doch ihre Pflicht sei, auf alle Fragen zu achten, die sich ihr darböten, ob nicht etwa die überflüssigste dabei sei. So ging sie denn noch einmal am Turm vorüber; da sie aber den Jüngling nicht anreden durfte, so konnte sie ihn nur mit ihren Augen fragen; und der Jüngling sah sie wieder an, aber er sagte nichts.
    Das ging nun so viele Tage lang. Immer häufiger wandelte die Prinzessin am Diamantenturm, und immer häufiger begegneten ihre fragenden Blicke den fragenden Augen des Oberhofkrondiamantenzerklopfers, und wenn sie beide wieder allein waren, zerbrachen sie sich den Kopf, was wohl die fragenden Blicke zu bedeuten hätten. Von dem vielen Gehen aber bekam die Prinzessin einen zarten Anflug von einem ganz, ganz kleinen Hühnerauge, und darüber war sie sehr glücklich. Denn erstens mußte sie dabei merkwürdigerweise immer an den Jüngling mit den dunklen Augen denken, und zweitens hatte ihr die Fee Kräkeleia sagen lassen, wenn sie auf dem richtigen Wege nach der unnützen Frage sei, so werde sie es an ihren Zehen spüren.
    Endlich faßte sich Jaja ein Herz, und in der Meinung, daß es ihr, als der Prinzessin, doch nicht gleich an den Kopf gehen würde, wenn sie das Gebot überträte, fragte sie den Oberkrondiamantenzerklopfer äußerst gnädig:
    „Warum siehst du mir nach, wenn ich vorübergehe?“
    Der Jüngling schwieg eine Weile ganz erschrocken; denn seit zehn Jahren hatte ihn niemand angeredet, und nun gar eine so schöne junge Dame; dann sagte er mit leiser, wohllautender Stimme:
     
    „Ich blicke dir nach, du Süße,
    Und tausend, tausend Grüße
    Send’ ich dir zu von fern;
    Und danke betend wieder,
    Daß du uns stiegst hernieder
    Zu wandeln auf diesem Stern.“
     
    Die Prinzessin errötete ein wenig. Aber da auf einmal eine zweite Zehe sie zu schmerzen anfing, blieb sie stehen und fragte:
    „Weißt du denn nicht, wer ich bin?“
    „Nein“, erwiderte der Jüngling.
    „Willst du mich etwas fragen?“ fuhr sie fort. Und da der Jüngling schwieg, setzte sie hinzu: „Ich bin die Prinzessin Jaja.“
    „Woher weißt du das?“ fragte der Jüngling.
    Nun schwieg die Prinzessin höchstlichst überrascht. Alles hatte sie schon im stillen in Frage gestellt, Sonne und Mond und den König Hähäh und sogar ihr Schoßhündchen Fiffi. Aber ob sie selber sei, das war ihr noch nicht eingefallen zu bezweifeln.
    „Alle Menschen sagen es“, erwiderte sie endlich.
    „Mir sagt es niemand“, sprach der Jüngling. „Ich weiß nichts von einer Prinzessin Jaja. Ich weiß nur, daß ich etwas Liebliches sehe und höre, und daß mir jetzt wohler ist, als wenn ich mit den Blumen und Wolken und Sternen rede. Warum muß es außerdem noch eine Prinzessin Jaja geben? Hier ist mein Glück, und sonst weiß ich nichts.“
    „Aber ich bin doch da!“ rief die Prinzessin und trat mit dem Fuße auf. Ach, das tat weh! Und nun war sie böse, daß der Oberhofkrondiamantenzerklopfer an ihrer Existenz zweifelte. Sie drehte ihm den Rücken, ging mühsam nach Hause und zog sich Schlafschuhe an.
    Aber schlafen konnte sie nicht. War sie vielleicht wirklich nicht da? Fast wollte es ihr so scheinen – es war alles ganz anders als sonst. So fern und fremd, als wenn es nicht zu ihr gehöre, als gehöre sie sich selbst nicht mehr. Und es war auch alles so gleichgültig, mit Ausnahme – ja mit Ausnahme – Wenn sie nur morgen wieder ausgehen könnte!
    Was klang so leise vor ihrem Ohr wie ein Sang aus weiter, weiter Ferne?
     
    „Der Tag entschwand, die Dämmerschatten schleichen,
    Und immer muß ich fern und einsam sein?
    Nur meine Träume können dich erreichen –
    Ich bin allein.
     
    Zum Rosenhügel sah ich einst dich schreiten,
    Mein Glück entglomm aus deiner Augen Schein –
    Warum entfloh es in verlor’ne Weiten,
    Und war doch mein?
     
    Mit deinem Herzen brich die Raumesschranke,
    Laß mich in meinem Dunkel nicht allein!
    Tritt frei zu mir, du holder Lichtgedanke,
    Und bleibe mein!“ –
     
    Das matte Ampellicht und der weiße Mondstrahl, der sich durch die Vorhänge schlich, schienen ein Zwiegespräch zu flüstern.
    „Siehst du die Prinzessin Jaja?“ fragte die Ampel.
    „Nein“, sprach der Mond, „ich sehe nur den

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