Traumkristalle
stammt die Lampe?“
„Man hat sie im Tigris gefunden, daran ist kein Zweifel, die Belege sind sicher.“
„Im Tigris gefunden?“ sagte meine Frau. „Daran lag ja doch wohl Bagdad, und in Bagdad –“
„Stand Aladins Palast.“
„Aber die Lampe ist offenbar viel älter und nicht arabischen Ursprungs.“
„Das beweist nichts“, sagte ich. „Aladin entnahm die Lampe bekanntlich im Auftrage des afrikanischen Zauberers einem unterirdischen Gemache, wo sie vielleicht schon viele Jahrhunderte gebrannt hatte.“
„Na, da wollen wir doch gleich einmal daran reiben!“ rief Alanders lebhaftes Frauchen und griff nach der Lampe.
„Was fällt dir ein, Helene!“ unterbrach sie der Professor entrüstet. „Die schöne Patina! Du würdest die ganze Lampe entwerten!“
Frau Alander warf das Köpfchen in die Höhe und griff wieder nach der Arbeit.
„Was nützt mir Aladins Wunderlampe, wenn man sie nicht reiben darf!“
Ich hob das Zwirnknäuel zum zweitenmal auf und wollte eben noch ein Wort zu Gunsten des Reibungsversuches einlegen, als meine Frau ausrief:
„Aber da unten steht eine Inschrift, sehen Sie!“
Wir fuhren wieder auf die Lampe zu.
„Es ist arabisch“, sagte der Professor. Er holte eine Lupe und zündete ein Licht an.
„Wenn es doch Aladins Lampe wäre!“ rief Frau Alander. „Dann wird sie gerieben trotz Patina!“
Sie klopfte energisch mit der Häkelnadel auf den Tisch. Das Knäuel fiel hinab.
„Ist der Geist sehr schrecklich, wenn er erscheint?“
„Das kommt darauf an, wie stark man reibt“, sagte ich, mich bückend. „Gewöhnlich erscheint er in einer Wolke an der Decke; aber ich kann ihm ja befehlen, gleich unter den Tisch zu kriechen, denn Ihr erster Auftrag würde doch wohl sein, dieses Knäuel …“
„Würden Sie sich fürchten?“ fragte sie meine Frau.
„Aber du tust wahrhaftig“, sagte Alander über die Inschrift gebeugt, „als wenn es je einen Aladin und einen Sklaven der Lampe gegeben hätte. Man muß doch den Unsinn nicht übertreiben.“
„O bitte“, rief ich, „da sind Sie noch sehr in der Kultur zurück, werter Freund! Es ist wahr, bis vor kurzem hielt man die überlieferten Märchen und Geistergeschichten für Produkte der Volksphantasie und für Erdichtungen, so gut wie die Wundertaten der Heiligen als mythische Ausschmückungen frommer Verehrung galten, oder die Heilungen im Asklepios-Tempel für Schwindel habgieriger Priester. Aber seitdem wir eine transzendentale’ Psychologie haben, eine Gesellschaft für übersinnliche Experimente und eine Wissenschaft der Mystik – seitdem Hellseher, Geister-Zitationen und Doppelgängerei als unwiderlegbare Tatsachen festgestellt sind, seitdem weiß man auch, daß Menschen wirklich mit ihrem transzendentalen Astralleibe durch die Luft fahren können, und daß Asklepios einer Frau den Kopf wieder angeheilt hat, den man ihr abgeschnitten hatte, um einen Wurm bequemer aus dem Leibe ziehen zu können. Alles, was Altertum und Mittelalter von Wunderdingen und Hexereien erzählen, ist fälschlich für Poesie oder Aberglauben gehalten worden; man weiß jetzt, daß es sich um wissenschaftlich erklärbare Tatsachen handelte. Odysseus ist wirklich im Hades gewesen und Dante von Virgil durch die Hölle geführt worden. Der heilige Antonius hat gleichzeitig in Montpellier gepredigt und in seinem Kloster das Hallelujah gesungen. So gut wie ein arabischer Scheich den Kalifen durch Verkürzung der Zeitanschauung, indem er ihn den Kopf in einen Eimer Wasser stecken ließ, tatsächlich viele Jahre des Elends zu durchleben zwang, so gut wird auch die Erzählung von Aladins Wunderlampe sich als wahr bestätigen. Man muß sich nur die Mühe geben, die Wirkung und Macht des an die Lampe gebannten Geistes durch die Methode der Transzendental-Psychologie zu erklären.“
Alander richtete sich von seiner Beschäftigung auf; er hatte offenbar den letzten Teil meiner Rede gar nicht mehr gehört.
„Seltsam“, sagte er. „Wissen Sie was hier steht? Ganz deutlich ist zu lesen: ‚Aladin aus Bagdad’; dahinter, ungefähr dem Sinne nach: ‚Versuche kein Gläubiger, was Allah hier verborgen!’“
Wir schwiegen, unwillkürlich betroffen.
„Die Schrift ist alt“, fuhr Alander fort, „im zwölften oder dreizehnten Jahrhundert eingeritzt. Höchst interessant, wahrscheinlich nur ein Zufall – Aladins hat es in Bagdad Tausende gegeben – denkbar aber wäre ja eine Beziehung auf das Märchen, und dann läge darin ein Beweis, daß der
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