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Traumkristalle

Traumkristalle

Titel: Traumkristalle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurd Laßwitz
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wenn nicht wenigstens einer darunter so dumm sein sollte, auf die allerunnützeste Frage zu verfallen? Und im Notfalle bin ich selber noch da.“
    „Euer Majestät“, sagte der Großvezier, „bemerkten soeben allerhöchst scharfsinnig, daß Ihre königliche Hoheit die Prinzessin nicht nur die Frage, sondern auch die Lösung derselben muß finden können.“
    „Sehr richtig“, entgegnete der König, indem er den Würdenträger allerhöchsteigenfüßig auf den Rock klopfte, „dazu wird meine Tochter, die Prinzessin, schon klug genug sein. Aber die Frage, die Frage! Dazu gehört Dummheit, und die kann ich von meinen Beamten verlangen.“
    Nun ließ der König eine Konkurrenz ausschreiben. Wer die überflüssigste Frage in der Welt stellte, der sollte soviel goldene Erbsen bekommen, daß er darauf spazieren gehen könnte; wenn aber die Prinzessin die Lösung der Frage nicht herausbekäme, so müßte er die Goldstückchen in den Stiefeln tragen.
    Da zerbrach man sich in Drüberunddrunter die Köpfe, daß es drunter und drüber ging.
    Der Oberhofwolkengucker, welcher das Wetter anzusagen hatte, ob die Prinzessin den Sonnenschirm, den En-tout-cas oder den Regenschirm nehmen sollte, stellte die erste Frage.
    „Warum geht die Sonne immer rechts herum und nicht links herum?“
    Die Frage wurde für genügend überflüssig befunden, doch die Prinzessin konnte sie nicht lösen, und so bekam der Oberhofwolkengucker die goldenen Erbsen, aber inwendig.
    „Was ist eher, der Tag oder die Nacht?“ fragte der Obernachtwächter. Da mußte er auch die goldverengten Stiefel anziehen.
    Der Oberbrahmine fragte, warum die Welt geschaffen sei; aber er hatte gleichfalls kein Glück damit. Und da er nun Urlaub nehmen mußte, so fragte der Unterbrahmine, ob er nun Oberunterbrahmine oder Unteroberbrahmine wäre. Das wußte die Prinzessin erst recht nicht. Nun jagten sich die Fragen wie die Flocken im Dezemberwind. Ist es besser, zuerst den rechten oder den linken Strumpf anzuziehen? Ist die Tugend grün oder karmesingestreift? Was ist das Ding an sich? Wer hat den Heringssalat erfunden? Was ist ein Matschakerl? Warum nennt man die Kartoffeln nicht Haifisch? Aber keine Frage erhielt den Preis, entweder waren sie nicht überflüssig genug, oder die Prinzessin konnte sie nicht lösen. Da gab es in Folge der Goldstiefel bald soviel Hühneraugen in Drüberunddrunter, daß Kräkeleia ihre Freude daran hatte.
    Endlich kam der Oberhofgrundsatzfabrikant auf die feine Idee, die Sache müsse viel besser gehen, wenn man sie umkehre und nicht mit der Frage beginne, sondern mit der Antwort. Und wenn man die hätte, nachher könne man ja die Frage danach einrichten. Eine solche Einrichtung aber nennt man ein Rätsel.
    Da ging den Leuten in Drüberunddrunter auf einmal ein Licht auf und sie fingen an Rätsel zu machen nach Herzenslust. Und damit die Prinzessin die Rätsel auch rate, so hielten sie es für das Beste, sie alle auf den Namen der Prinzessin zuzuspitzen. Denn den müßte sie doch kennen, und wenn sie nur „ja ja“ sagte, so wäre das Rätsel schon geraten. Und dann wäre es immerhin eine erfreulich unnötige Frage, nach dem Namen der Prinzessin zu forschen, weil ihn doch jedermann schon wisse. Mit dieser Philosophie stieg die Rätselseuche auf ihren Höhepunkt. Der Oberhofhurraschreier schrie zuerst:
     
    „Kommt Silbe eins vor Silbe zwei,
    So schreit vor Freude man Juchhei!
    Doch kommt die zweite vor der ersten,
    So möchte man vor Freude bersten.“
     
    Das fand der König sehr gut.
    Der Oberhofzoolog ließ sich ebenfalls hören und sprach:
     
    „Drehst du es um, so ist’s das faulste Wesen,
    Von vorn kann es sogar ein Esel lesen.“
     
    Er meinte nämlich, daß man Jaja auch J-a – J-a aussprechen könne, und dann gibt es umgekehrt das Faultier Ay-Ay.
    Hierin erblickte jedoch der Staatsanwalt eine tendenziöse Zerstückelung und Körperverletzung des Namens der Prinzessin, und der unglückliche Oberhofzoolog wurde mit einer auf drei Jahre herabgemilderten Todesstrafe belegt.
    Dies hielt die Bewohner von Drüberunddrunter indessen nicht ab, immer neue Rätsel zu machen. Die Kinder in der Schule, die Bettler vor den Türen, die Minister im Staatsrat und die Liebenden im Mondschein schmiedeten Rätsel. Die Geschäfte stockten, die Straßen verödeten, selbst die Eisenbahnzüge blieben stehen, weil die Lokomotiven anfingen, Rätsel zu fabrizieren. Das Königreich drohte zu verhungern, die Rätselseuche raffte Tausende dahin.

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