Traumkristalle
Zeissfeldstecher mitnehmen könnte, aber auf einmal – ich weiß nicht, wie es kam – war ich aus meinem Zimmer heraus und fand mich neben dem Teufel auf einem bequemen Sessel. Die Füße ruhten auf einem Tritt, und ein Geländer umgab uns, sonst aber schwebten wir ganz frei im Räume. Merkwürdigerweise hatte ich gar kein Schwindelgefühl.“
Der starke Herr hustete eigentümlich. Der Professor ließ sich nicht stören.
„Ich nahm mir vor“, fuhr er fort, „mir vom Teufel nicht imponieren zu lassen. Vielleicht konnte ich ihm doch irgendwie beikommen, daß ich ihn los würde. Wäre Faust ein richtiger Mathematiker gewesen, so hätte er sich nicht sein ganzes Leben mit dem Teufel herumzuschlagen brauchen. Ich fühlte mich ruhiger und sagte nichts. Da begann der Teufel: ‚Nun, wie gefällt Ihnen unser Weltautomobil? Das ist aus Ihrem Ideal, dem absolut festen und durchsichtigen Stellit gefertigt, da können Sie alles aufs schönste überblicken.’
Ich sah mich um. Hinter uns war absolute Nacht, völlige Schwärze. Über, neben und unter uns erkannte ich einzelne Sterne, die nach vorn immer dichter standen, bis sie in der Fahrtrichtung zu einem einzigen hellen Glänze zusammenflossen. Ich konnte mir das gar nicht erklären. Was war das für ein Sternenhimmel? In welcher Gegend der Welt waren wir? Ich mußte wohl längere Zeit bewußtlos gewesen sein. ‚Wie lange sind wir schon unterwegs?’ fragte ich.
,Etwa eine halbe Stunde’, antwortete der Teufel. ‚Ich mußte Sie ein bißchen einschläfern, um Sie bequemer hier hereinzubringen. Na, nicht wahr, so was haben Sie noch nicht gesehen?’
,O’, sagte ich, ‚das wird sich ja alles natürlich erklären. Mit welcher Geschwindigkeit fahren wir wohl?’
,Ungefähr mit der zehnfachen Lichtgeschwindigkeit.’“
„Hohoho!“ lachte der starke Herr. „Das müßte allerdings mit dem Teufel zugehen.“
„Das tat’s ja auch“, fuhr der Professor gelassen fort. „Ich überschlug schnell die Sachlage. Zehnfache Lichtgeschwindigkeit, da mußten wir die Entfernung Sonne-Erde in 50 Sekunden zurücklegen.
Bis zum Neptun ist’s dreißigmal so weit. Ich sagte also:
,So so! Da müssen wir ja schon längst aus dem ganzen Sonnensystem hinaus sein.’
,Das sind wir in der Tat.’
Nun glaubte ich zu begreifen, warum hinter uns die schwarze Nacht war. Da wir soviel schneller als das Licht dahinrasten, konnten uns die Lichtwellen nicht einholen, und es war dunkel. Die von den Seiten kommenden Strahlen dagegen trafen uns. Aber der Glanz da vorn? Durch unsre riesig schnelle Bewegung, dem Licht der Sterne entgegen, mußten die Lichtwellen so stark verkürzt werden, daß selbst die längsten sichtbaren Wellen, die des roten Lichts, bis unter die Länge der überhaupt sichtbaren Wellen herabsanken und somit gar keinen Eindruck mehr auf unser Auge machen konnten. Woher also die Helligkeit vor uns? Es hätte dort auch Dunkelheit herrschen müssen. Der Teufel sah mir wohl an, daß mir etwas nicht klar war und sagte höhnisch:
,Nun, Herr Professor, das Licht da vorn können Sie wohl nicht natürlich erklären.’
In diesem Augenblick fiel mir die Lösung ein, und ich sprach ganz ruhig: ‚Das ist doch sehr einfach. Was uns da vorn leuchtet, das sind keine Lichtstrahlen, wie wir Menschen sie zu sehen gewohnt sind, sondern das sind die für unser Auge sonst unwirksamen langen, etwa Wärme- oder elektrischen Wellen jenseits des roten Endes des Spektrums. Durch unsre Eigenbewegungen werden sie so verkürzt, daß wir sie als Licht empfinden. Es ist ein schöner Beweis dafür, daß die Sterne sehr viel ultrarote Strahlen aussenden, die wir noch nicht beobachten konnten.’
Der Teufel brummte etwas vor sich hin. Er ärgerte sich, weil ich es richtig getroffen hatte. Gleich darauf aber drückte er die Augenbrauen zusammen und zog die Mundwinkel etwas auseinander, wie ich zu tun pflegte, wenn ich so eine recht kniffliche Frage stellen will, – es war zu gemein, daß der Kerl genau so aussah wie ich, – und nun sagte er:
,Wenn Sie das helle Licht da vorn inkommodiert, so kann ich es auch abblenden. Sehen Sie, ich habe hier einen für alle Strahlen undurchlässigen Schirm, den drehe ich jetzt nach vorn – so – nun kann von vorn kein Licht mehr einfallen, und doch ist noch Licht da–’
,Ja, aber es ist viel schwächer.’
,Woher kommt nun dieses Licht?’
Ich geriet in Verlegenheit. Mogelte der Teufel vielleicht? War der Schirm gar nicht völlig undurchsichtig? Nein, die
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