Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Traumkristalle

Traumkristalle

Titel: Traumkristalle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurd Laßwitz
Vom Netzwerk:
erzählen.“
    Man rückte näher am Tische zusammen.
    „Wie sah er denn aus?“
    „Wann war denn das?“
    „Am vorigen Sonnabend“ – der Professor tat einen nachdenklichen Zug an seiner Zigarre – „ich saß wie gewöhnlich abends an meinem Schreibtisch – da klopft es, und auf mein verwundertes Herein – aber erschrecken Sie nicht!“
    „Gräßliches will ich nicht hören, nein, nein, nein“, schrie die blaue Dame.
    „Gräßlich war es allerdings. Im ersten Augenblick war ich nicht wenig erschrocken.“
    Die blaue Dame hielt sich die Ohren zu; aber nicht fest.
    „Auf einmal steht jemand im Zimmer und knipst die Hängelampe an, daß ich die Gestalt ganz deutlich erkenne.“
    „In einem Mantel, mit feurigen Augen? Ich seh’s vor mir!“ rief Frau Brösen.
    „Es war ein Lodencape und eine goldene Brille; ein Mann in meiner Größe und Statur, mit grauen Haaren und Schnurrbart, eigentlich ganz gemütlich, aber das Gräßliche war eben –“
    „Der Pferdefuß?“
    „Der Schweif?“ kreischte die blaue Dame.
    „Nein; – er sah genau aus wie ich selbst – lachen Sie nicht! Ich dachte natürlich an eine Halluzination, und Sie wissen, was das bedeutet bei meinem angegriffenen Gehirn. Ich blieb zunächst ganz starr sitzen. Da sagte mein Doppelgänger sehr höflich:
    ,Es tut mir leid, daß ich Sie holen muß, Herr Professor, aber ich habe den bestimmten Entschluß gefaßt –’
    ,Holen, was heißt das? Ich bin nicht Arzt und habe jetzt keine Zeit!’ rief ich unwillig.
    ,Nun, eben holen “, sagte der andere. ‚Ich bin nämlich der Teufel.’
    ,Der Teufel?! Aber Sie sehen ja aus –’
    ,Ja, Sie müssen schon entschuldigen. Wenn ich zu Ihnen komme, habe ich diese Ihre Gestalt. Es ist nämlich jeder sein eigener Teufel! Aber nun seien Sie so gut und kommen Sie mit.’
    ,Wohin denn? Ich glaube weder an Hölle noch an Teufel im Volkessinne.’
    ,Ist auch gar nicht nötig. Ich hole jeden in seinem Sinne, wie er seine Welt sich ausmalt. Sie z. B. werde ich in einem kleinen Weltraum-Automobil mitnehmen. Sie reisen ja so gerne nach den Sternen.’
    ,Bitte sehr, das tue ich hier am Schreibtisch; ich habe durchaus keine Lust zum Reisen. Außerdem brauchte ich mehrere Wochen Vorbereitung. Erst müßte ich meine Reiseapotheke packen.’
    ,Ist nicht nötig. Zu Ihrem Vergnügen hole ich Sie ja nicht. Sie sollen zu Ihrer Läuterung hunderttausend Billionen Kilometer reisen. – Das habe ich mir so ausgedacht.’
    ,Und dann?’ fragte ich.
    ,Nun, das wird sich ja finden. Vielleicht machen wir ein Meteor aus Ihnen, oder Sie werden für tausend Jahre auf den Mars verheiratet – Marsjahre natürlich.’
    ,Ich danke für beides. Es fällt mir gar nicht ein, mitzukommen. Ich habe hier noch dringende, angefangene Arbeiten.’
    ,Das hilft alles nichts. Die können Sie unterwegs fertig machen.’
    ,Also den Hals wollen Sie mir nicht umdrehen?’
    ,Ich denke nicht dran, wenn Sie gutwillig mitkommen. Wir möchten uns Ihre wertvolle Gehirntätigkeit noch eine Zeitlang erhalten, wenn auch freilich nicht mehr auf der Erde.’
    ,Aber schließlich leb’ ich doch in der Erdseele weiter, nicht wahr?’
    ,Lassen Sie mich in Ruhe’, rief der Teufel ärgerlich. ‚Ich bin nicht hier, um mich ausfragen zu lassen. Die Erdseele hole ich schließlich auch noch mal!’“
    „Die Erdseele?“ unterbrach die blaue Dame den Professor. „Was ist denn das?“
    „Ach, stören Sie doch jetzt nicht“, sagte Frau Brösen. „Der Professor hat doch erst neulich einen Vortrag darüber gehalten!“
    „Da könnt’ ich ja nicht kommen, da war mein Mädchen fortgelaufen.“
    „Na“, rief der starke Herr, „nach Ansicht des Professors ist eben die Erde ein beseeltes Wesen, und wenn wir hier als Menschen nicht mehr leben können, dann leben wir weiter als Erinnerungen der Erdseele.“
    „Sagt Fechner“, schaltete der Professor ein.
    „Ich auch?“ fragte die blaue Dame.
    „Sie kommen sogleich in die Sonnenseele“, sagte der Professor, „weil Sie schon jetzt zu den schönsten Erinnerungen der Erdseele gehören.“
    „Erzählen Sie doch weiter!“ rief Frau Brösen und klopfte auf den Tisch.
    Der sanfte Jüngling , der eben etwas sagen wollte, fuhr zusammen und schwieg.
    Der Professor nahm einen Schluck aus seinem Glase und sagte:
    „Ich bemerkte mit Vergnügen, daß theoretische Fragen den Teufel in einige Verlegenheit zu bringen schienen. Um Zeit zu gewinnen, kramte ich in meinen Manuskripten und wollte eben fragen, ob ich nicht meinen

Weitere Kostenlose Bücher