Traumlos, Band 1: Im Land der verlorenen Seelen (German Edition)
wollte.«
»Verdammt!«
Wütend schlägt Hailey gegen die Liege, die mitten im Raum steht. Sie rollt ein Stück und bleibt dann stehen, als wäre nichts geschehen. Sie will nicht Calebs Tod riskieren, doch überstürzter Aktionismus würde sie alle ins Verderben stürzen.
»Was schlägst du denn vor?«, stößt sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
»Wenn es nach mir ginge, würde ich dich packen und gemeinsam mit dir verschwinden.«
Als Hailey ihm einen giftigen Blick zuwirft, hebt er beschwichtigend die Hände.
»Aber im Anbetracht der Tatsache, wie wichtig dir deine neuen Freunde sind, brauchen wir definitiv einen neuen Plan. Und zwar einen verdammt guten.«
»Ach was«, flüstert eine heißere Stimme vom Boden.
»Kira!«
»Autsch, nicht so laut.«
Vorsichtig richtet die junge Frau sich auf und hält sich ihren schmerzenden Kopf.
»Was haben die mit mir gemacht? Wo ist Caleb?«
Ihre rehbraunen Augen irren ziellos im Raum umher und bleiben schließlich bei Jules hängen.
»Oh, hallo.«
Sie lässt eine Reihe strahlend weißer Zähne aufblitzen und stöhnt kurz darauf auf.
»Mein Schädel.«
Eilig hilft Hailey ihr dabei, sich aufrecht hinzusetzen.
»Caleb ist im Speisesaal und es sieht nicht gut für ihn aus«, platzt es aus Hailey heraus. Es ist keine Zeit für Schöngerede.
»Er wurde bestimmt verprügelt«, murmelt Kira und ihre Unterlippe bebt. »Wir haben getan, was du gesagt hast. Er hat an dich geglaubt.«
Bei diesen Worten spießt Kira Hailey mit ihrem Blick auf. Wenn sie die Kraft dazu hätte, würde sie Hailey in diesem Moment umbringen, das ist der Schwarzhaarigen bewusst.
»Ich habe ein Ablenkungsmanöver gestartet und Caleb ist durch die Luke verschwunden. Kurz darauf hörte ich Geschrei. Offensichtlich arbeiten hinter der Wandöffnung tatsächlich Menschen. Natürlich haben die Wächter sofort eine Verbindung zwischen Calebs Fluchtversuch und meinem Ohnmachtsanfall hergestellt, bei dem ich mindestens fünf Tablette vom Tisch gerissen habe ... Ich erinnere mich noch an einen heißen Schmerz in meinem Nacken, an die Unfähigkeit, mich zu bewegen und an große Augen, die mich ungläubig anblickten. Danach Dunkelheit. Und jetzt«, ihre Stimme wird zu einem bedrohlichen Knurren, »bist du wieder hier. Willst du noch mehr Unglück bringen? Caleb hat dir vertraut und wird vermutlich jetzt deinetwegen sterben.«
Wie geohrfeigt zuckt Hailey zurück. Kiras Worte haben sie tief getroffen. Ihretwegen wird Caleb öffentlich hingerichet? Ist wirklich sie verantwortlich für seinen waghalsigen und gescheiterten Fluchtversuch? Sie kennt die Antwort. Ja, sie hat ihm diese Idee den Kopf gepflanzt – Aber es war die einzige Lösung, die sie in diesem Moment sah.
»Er wird nicht sterben.«
Jules hält ein kleines scharfes Skalpell in der Hand. Die polierte Schneide funkelt bedrohlich im gelben Licht der Neonröhren. Ein kleines Gerät, so unscheinbar und so tödlich.
»Ich habe Macy versprochen, dass ich Hailey hier raushole. Sie will aber nicht mit mir kommen, ehe ich nicht euch geholfen habe. Also werde ich jetzt genau das tun.«
Er zwinkert Hailey verschwörerisch zu.
»Warum tust du das alles?«
Es ist das erste Mal, dass Hailey dieser Gedanke kommt. Warum hilft Jules ihr? War ihre Einschätzung ihm gegenüber etwa falsch?
»Weil ich Macy liebe und sie liebt dich.«
Wenige Worte mit einer großen Bedeutung. Forschend sieht Hailey in seine grauen Augen und sucht nach einem verräterischen Anzeichen einer Lüge. Nichts. Er begegnet ihrem Blick ohne Scheu oder Furcht. Das Einzige, was sie in ihnen erkennt, ist Tatendrang.
»Gut. Dann brauchen wir noch immer einen Plan.«
»Ich denke«, murmelt Jules, »den habe ich bereits.«
Macy klopft sachte gegen die glänzende Holztür und versucht dabei einen möglichst demütigen Gesichtsausdruck aufzusetzen. Sie muss ihr Handy wieder bekommen, damit sie Jules anrufen kann – damit er sie anrufen kann. Nach scheinbar endlosen Augenblicken öffnet die Mathelehrerin die Tür.
»Na, sieh mal einer an.«
Ihr Antlitz verzerrt sich zu einer Maske der Selbstgerechtigkeit.
»Ich dachte mir schon, dass du hier auftauchst.«
»Bitte Frau Tanai. Ich benötige das Handy aus familiären Gründen dringend. Meine Oma liegt im Krankenhaus und deshalb erwarte ich einen Anruf.«
Obwohl es Macy zuwider ist, fügt sie noch ein gewinseltes Bitte hinzu und wartet gespannt ab.
»Was ist denn hier los?«, tönt eine Stimme aus dem
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