Traumlos, Band 1: Im Land der verlorenen Seelen (German Edition)
Hailey sich glücklicher gefühlt als in diesem Moment. Calebs Körperwärme löst ein Prickeln in ihr aus, das sie vergessen lässt zu atmen. Erst als ihr Brustkorb schmerzt, holt sie geräuschvoll Luft und schiebt Caleb gleichzeitig eine Tomate in den Mund. Mittlerweile haben sich Haileys Augen an die spärlichen Lichtverhältnisse gewöhnt und so entgeht ihr Calebs Schmunzeln nicht.
Kira liegt einige Meter entfernt. Ihr Brustkorb hebt und senkt sich gleichmäßig, ihre blonden Haare leuchten im Mondlicht, das durch die scheibenlosen Fenster dringt. Die türkisfarbenen Strähnen wirken merkwürdig fehl am Platz.
»Sie schläft«, sagt Hailey. Einfach nur, um irgendwas zu sagen und das amüsierte Grinsen aus Calebs Gesicht zu wischen. Hailey wird das Gefühl nicht los, dass er über sie lacht und dieser Gedanke behagt ihr gar nicht.
»Natürlich. Sie ist erschöpft. Du solltest auch schlafen.«
Die gefühllosen Augen des Geprägten tauchen vor Hailey auf und sie schüttelt energisch den Kopf.
»Irgendjemand muss Wache halten, falls ...«, sie hält inne als ihr klar wird, dass Caleb nichts von dem Überfall weiß, »du Hilfe brauchst.«
Sie unterdrückt einen Seufzer der Erleichterung, als Caleb zustimmend nickt.
»Könnte ich noch etwas trinken?«
»Natürlich.«
Vorsichtig hilft sie ihm dabei. Dieses Mal klappt es um einiges besser. Fast fühlt es sich für Hailey so an, als würde sie sich schon immer um ihn kümmern. Sie beide als eingespieltes Team. Eine wundervolle Vorstellung, die Hailey für einen Moment die Realität vergessen lässt.
Calebs ersticktes Husten bringt sie wieder zurück.
»Entschuldige.«
Schnell nimmt sie die Flasche weg und streicht dann mit ihrem Ärmel liebevoll über Calebs Gesicht um die Wasserreste weg zu wischen. »Tut mit wirklich leid.«
»Psssst«, flüstert er und hebt seine Hand, um ihre festzuhalten. Erstaunt hält Hailey inne.
»Dir ist klar, dass unser Schicksal nun für immer miteinander verbunden ist?«
Obwohl sie Calebs Augen kaum sehen kann, meint sie ein schelmisches Aufblitzen darin zu erkennen.
»Wie meinst du das?«, haucht sie und ihr Herz schlägt heftig gegen ihre Brust. Bisher hielt sie die Liebe immer für einen Mythos, den sich nur normale Menschen erlauben können, wenn sie glücklich sind. Selbst ihre Eltern scheinen dieses Gefühl nie gekannt zu haben.
»Nun ja«, Calebs Daumen streichelt zärtlich über Haileys Hand, »wir sind gemeinsam aus der Klinik geflohen. Du hättest mich auch zurücklassen können. Jetzt sucht uns die Regierung und wir werden niemanden mehr haben außer uns.«
Auch wenn diese Vorstellung Hailey gefallen sollte, tut sie das nicht.
»Du willst die Menschen wirklich weiterhin in Unwissenheit leben lassen? Wir müssen etwas tun!«
Erstaunt runzelt Caleb die Stirn. Kurz darauf breitet sich ein seliges Lächeln auf seinem Gesicht aus.
»Du hast Recht, Hailey. Ich wusste doch, dass du etwas Besonderes bist.«
Diese Worte, gemeinsam mit seiner warmen Hand auf ihrer, und dem Blick den er ihr zuwirft, lassen Haileys Puls rasen. Die Welt um sie wirkt unwirklich und weit weg. Als würden nur noch Caleb und sie existieren. Sie beide und die Schmetterlinge in Haileys Bauch.
Calebs Gesicht kommt näher und Hailey registriert am Rand ihres Bewusstseins, dass sie es ist, die sich zu ihm hinabbeugt. Ihr Herz pocht laut und unstetig in ihrer Brust. Kurz bevor ihre Lippen sich berühren, hält Hailey inne.
»Glaubst du das wirklich?«
Sie hat Angst vor der Antwort und hasst sich dafür, diese Frage gestellt zu haben. Warum soll er sie für etwas Besonderes halten? Welchen Grund hat er dafür?
Als Antwort spürt sie einen leichten Druck an ihrer Hand. Caleb hebt seinen Kopf und ihre Lippen treffen aufeinander.
»Mein erster Kuss« , schießt es Hailey noch durch den Kopf, dann überlässt sie sich dem zarten und doch machtvollen Gefühl, das über sie hinwegspült wie eine kühle Welle an einem warmen Sommertag. Plötzlich spürt sie ihre Umgebung intensiver als je zu vor. Ein sanfter Windhauch fährt durch ihre Haare, draußen auf der Straße huschen die Ratten umher. In der Ferne erklingt eine Sirene, Kiras Atem klingt laut und doch weit entfernt.
Allein Calebs Berührung zählt in diesem Moment. Seine warme Hand, seine rauen Lippen. Der Geschmack nach Salat, Kräckern und Liebe. Sein warmer Atem und die Zärtlichkeit, mit der er sich dem Kuss hingibt.
Nach einer gefühlten Ewigkeit, die Hailey wie ein Wimpernschlag
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