Traumlos, Band 1: Im Land der verlorenen Seelen (German Edition)
Kira ihr Versteck gefährdet, andererseits stört sie der Gedanke, dass sie etwas für Caleb tut.
»Es wäre viel zu gefährlich, unsere Deckung für ein bisschen Essen aufzugeben. Ich kann auch warten«, lacht Caleb und versucht so, die frostige Stimmung zu vertreiben. Er hat keinen Erfolg.
»Du wurdest schwer verletzt und hast Hunger. Zumindest Wasser sollten wir dir besorgen«, beharrt Kira und möchte sich an Hailey vorbeidrängen, die mittlerweile die Tür blockiert. Mittlerweile ist es dunkel geworden, so dass lediglich die Taschenlampen und die wenigen Straßenlaternen Licht spenden.
»Du bringst uns alle in Gefahr.«
Energisch stemmt Hailey ihre Arme gegen den Türrahmen.
»Kira, bitte bleib hier.«
Caleb versucht aufzustehen, doch seine Knie geben sofort wieder nach.
»Caleb!«
Besorgt stürmt Hailey zu ihm. Diese Gelegenheit nutzt Kira, um sich aus dem Staub zu machen.
»Verdammt! Caleb, geht es dir gut?«
»Ja«, flüstert er in die Dunkelheit. Hastig tastet Hailey über den Boden bis sich ihre Finger um die verbliebene Taschenlampe schließen. Sie schaltet sie ein und richtet den Strahl direkt auf Caleb. Erschrocken kneift er die Augen zusammen und hebt abwehrend die Hände.
»Hey, mir geht’s wirklich gut. Bitte hol Kira zurück.«
Dieser Aufforderung kommt Hailey gerne nach. Sie drückt Caleb die Taschenlampe in die Hand, rennt durch die Tür ins morsche Treppenhaus und springt die Treppe hinab. Dabei überlegt sie fieberhaft. Links führt die Tür in den Innenhof, rechts nach draußen. Dass Kira sich auf der Suche nach Essen in einen geschlossenen Innenhof begibt, ist sehr unwahrscheinlich. Zudem steht die Tür am anderen Ende der Halle offen. Hailey stößt einen Fluch aus. Wenn Kira schon solche Dinge vernachlässigt, muss Hailey sich beeilen, bevor ihr Versteck wegen Kiras Unachtsamkeit entdeckt wird.
Nachdem sie das Gebäude verlassen hat, schließt sie deshalb gewissenhaft die Tür. Scheinbar hat auch Kira gezögert, denn Hailey sieht ihren Taschenlampenstrahl in einer Gasse, nicht weit entfernt. Den muffigen Geruch und die raschelnden Geräusche des Ungeziefers missachtend, hält Hailey direkt auf das Licht zu, welches sich immer weiter entfernt.
Hailey beschleunigt ihre Bewegung, bis sie rennt. Kira ist plötzlich so schnell, dass Hailey sich komplett auf sie konzentrieren muss, um sie nicht aus den Augen zu verlieren. Ihr Atem und der Wiederhall ihrer Schritte sind das einzige, was sie hört. Als Kira hinter einer weiteren Ecke verschwindet, hört sie einen spitzen Schrei.
Kurz hält Hailey inne, dann läuft sie so schnell sie kann. Ihre Finger umklammern die Taschenlampe, bereit zum Angriff. Jede Faser ihres Körpers ist angespannt. Mit einem lauten Schrei springt sie um die Ecke, um Kiras Angreifer abzulenken. Dieser wirbelt tatsächlich herum und lässt vor der am Boden liegenden Kira ab. Ein junger Mann, ungefähr fünfundzwanzig Jahre alt, starrt Hailey aus dumpfen Augen an. Sein Bart ist zerzaust und auch sein dunkles Haar ist lang und verwildert. Sein Hemd sowie die Jeans sind zerrissen und schmutzig. Irgendetwas an seinem Blick lässt Hailey erschrocken zurückstolpern.
»Hailey?«, stößt er fragend hervor. Haileys Herz krampft sich zusammen.
»Woher kennt er meinen Namen?«
Panisch geht sie einen weiteren Schritt zurück, der Unbekannte folgt ihr. Als er dabei seine Schulter senkt, verrutscht sein Hemd und Hailey sieht das Emblem der Wächter aufblitzen.
»Und wer der Regierung nicht Folge leistet, dessen Wille wird gebrochen, so dass er nicht mehr denken kann. Ein Gehirn ohne menschlichen Verstand in einem Körper ohne Seele. Um das Band der Abhängigkeit zu besiegeln, bekommen sie das Zeichen der Wächter tätowiert.«
Hailey lehnt sich gespannt nach vorne um Macys Geschichte zu lauschen. Sie sind noch jung und Macy darf das erste Mal bei Hailey übernachten. Nach den Süßigkeiten stehen nun Wahr-oder-nicht-Wahr-Gruselgeschichten auf dem Plan.
Macy senkt die Stimme und hebt die Kerze, die einzige Lichtquelle im Zimmer, näher an ihr Gesicht.
»Man nennt sie die Geprägten . Und was denkst du Hailey, ist diese Geschichte wahr?«
Hailey kichert und stopft sich ein übrig gebliebenes Gummibärchen in den Mund.
»Natürlich nicht.«
»Du bist ein Geprägter«, flüstert sie fassungslos, obwohl sie weiß, dass der andere den Sinn ihrer Worte nicht versteht. »Und du bist hier, um uns zu holen.«
Der Mann schnellt nach vorne und umfasst Haileys Arm. Sie
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