Traumlos, Band 1: Im Land der verlorenen Seelen (German Edition)
unterdrückt einen Panikschrei und schlägt mit ihrer Taschenlampe zu. Der Geprägte zeigt sich unbeeindruckt und verstärkt seinen Griff.
Hilfesuchend blickt Hailey zu Kira, die langsam wieder zu Bewusstsein kommt. Benommen hält sie sich den Kopf und lässt den Blick schweifen, bis er an den Kämpfenden hängen bleibt.
Ihr Mund öffnet sich zu einem lautlosen Schrei.
Wenige Meter entfernt liegt ihre Taschenlampe neben einer umgestoßenen Mülltonne und beleuchtet den Unrat. Sie hechtet auf sie zu, fasst sie und eilt zurück zu Hailey.
Diese versucht, den Griff des Mannes zu lösen. Sein Mundgeruch raubt ihr den Atem und lässt sie würgen. Die langen, schmutzigen Fingernägel bohren sich in ihren Oberarm.
Erneut holt sie mit der Lampe aus und zielt auf sein Gesicht. Blut spritzt ihr entgegen, aber der Geprägte reagiert nicht. Die warme Flüssigkeit tropft aus seiner Nase hinab auf Haileys Hände. Angewidert versucht sie es an dem Hemd des Mannes abzuwischen. Es hinterlässt eine rote Spur.
»AHHHHHH!«
Mit einem Schrei, der eines Kriegers würdig wäre, stürzt Kira sich von hinten auf den Angreifer. Sie springt auf seinen Rücken, umklammert mit einem Arm seinen Hals und schlägt mit der anderen immer wieder auf seinen Arm ein. Schließlich ändert sie ihre Taktik. Mit geschlossenen Augen bearbeitet sie seinen Kopf. Ein hässliches Knacken ertönt, dann lösen sich plötzlich seine Finger von Hailey.
Der Mann sinkt auf den Boden und bleibt regungslos liegen. Weinend lässt Hailey sich in Kiras Arme fallen.
»Danke, dass du mich gerettet hast«, winselt sie und ein Schluchzer entrinnt ihrer Kehle.
»Nein, du hast mich gerettet«, korrigiert Kira sie tonlos und betrachtet verstohlen ihre blutverschmierten Hände.
Sie blinzelt die verräterische Träne in ihrem Augenwinkel weg und löst sich dann sanft von Hailey, indem sie einen Schritt nach hinten geht. Sie möchte unter keinen Umständen ihre Kleidung mit Blut beschmutzen.
»Jetzt sollten wir aber dringend Wasser finden. Ich will ungern Caleb damit konfrontieren, dass uns ein Geprägter gefunden hat. Er braucht Ruhe.«
Hailey würde gerne protestieren, doch ein neuer Streit wäre zu anstrengend. Deshalb nickt sie und schwenkt ihre Taschenlampe durch die Dunkelheit.
»Ich dachte, die Geprägten wurden gar nicht existieren«, murmelt Hailey während ihre Augen nach einer Wasserquelle suchen.
»Das dachte ich auch. Aber ich habe das Wächteremblem erkannt. Niemand würde sich das freiwillig tätowieren lassen ... Und dann diese Augen.«
Kira fröstelt und wirft dem Mann am Boden einen mitleidigen Blick zu.
»Was er wohl verbrochen hat, um zu einem willenlosen Sklaven der Regierung gemacht zu werden?«
»Die Frage ist eher, was sie mit uns machen, jetzt da wir einen ihrer Suchhunde umgebracht haben. Irgendwann müssen sie ihn ja hier wegschaffen, damit ihn niemand sieht«, antwortet Kira und geht einige Schritte die Straße entlang. Bei ihrer Gefühllosigkeit dem armen Mann gegenüber fröstelt Hailey. Sie hat Mitleid mit ihm, immerhin war es nicht sein Wille, sie zu verletzen. Erst jetzt realisiert sie, dass sein Herz nicht mehr schlägt. Dass er niemals wieder aufwachen wird. Dass sie ihn umgebracht haben. Für einen kurzen Moment wird ihr schwindelig, dann fasst sie sich wieder. Vermutlich haben sie ihm einen Gefallen getan. Willenlos umherzuwandern, ist kein Schicksal, das man jemandem wünscht.
»Hier liegt Müll, also müssen hier auch Menschen sein, die ihn produzieren.«
Nachdenklich runzelt sie die Stirn und sieht sich die heruntergekommenen Häuser genauer an. Das hier jemand lebt, scheint ihr unmöglich.
»Vielleicht laden die ärmeren Leute einfach ihren Unrat hier ab, um Geld zu sparen«, meint Kira achselzuckend.
»Möglich.«
Kira macht kehrt und betrachtet den Mann am Boden genauer.
»Hatte er eine Tasche dabei? Auch wenn sie ihm seine Persönlichkeit genommen haben, ist er noch ein Mensch. Er braucht Essen und Trinken.«
Kira legt die Stirn in Falten und leuchtet mit der Taschenlampe zu dem Platz hinter den Mülltonnen, wo er gewartet hat. Tatsächlich findet sie eine braune Ledertasche.
»Hier.«
Vorsichtig nähert Hailey sich und stößt sie mit der Fußspitze an.
»Die Tasche war von ihm, sie wird also kaum Sprengstoff oder so enthalten.« Lachend geht Kira in die Hocke und öffnet den Reißverschluss. »Na, was haben wir denn da... Zwei Wasserflaschen, ein Brot und ein paar Kräcker«, zählt sie lächelnd auf und
Weitere Kostenlose Bücher