Traumlos, Band 1: Im Land der verlorenen Seelen (German Edition)
deshalb stellst du für die Regierung eine Gefahr dar, die ausgelöscht werden muss.«
»Danke für die Erinnerung«, kommentiert Hailey sarkastisch und setzt sich ebenfalls auf. Ihren Kopf lässt sie auf ihre angewinkelten Knie fallen.
»Wie kannst du also denken, dass die Regierung nur das Beste für alle will? Sie will das Beste für sich. Ein kontrolliertes Volk verspricht keine Revolution.«
»Keine Revo -, was?«, fragt Hailey und legt den Kopf schief. Dieses Wort hat sie noch nie gehört.
»Du weißt nicht, was eine Revolution ist?«
»Nein«, gibt Hailey zu und fühlt sich unsagbar dumm.
»Ehrlich gesagt hätte mich das auch gewundert. Es ist kein Zufall, dass die Regierung alle Materialien und Bücher über vergangene Revolutionen unter Verschluss hält. Sie haben Angst davor, gestürzt zu werden. Eine Revolution bedeutet, dass das Volk sich gegen die Regierung auflehnt.«
»Woher weißt du das alles?«
Ehrfürchtig sieht Hailey Caleb an. Er wirkt wie der schlauste Mensch der Welt auf sie. Ihm ist nicht nur der Gedanke gekommen, dass die Seelenfresser nur erfunden sind, er weiß auch Dinge, von denen sie nie gehört hat. Sie fragt sich, wie er das alles in der Klinik mitbekommen konnte.
Ein nachsichtiges Lächeln umspielt Calebs Lippen.
»Denk doch einmal nach. In die Klinik kommen nur jene Personen, die gefährliches Gedankengut mit sich tragen. Vor einigen Jahren wurde auch ein alter Bibliothekar zu uns gebracht. Er versteckte verbotene Bücher in seinem Keller.«
Ein wehmütiger Ausdruck tritt auf Calebs Gesicht. "Er hat mir viel beigebracht."
»Wo ist er jetzt?«
Schon als sie die Frage stellt, merkt Hailey, dass sie die Antwort nicht wissen will.
»Tot«, entgegnet Caleb und seufzt. »So wie alle, die ich dort kennengelernt habe. Alle außer dir und Kira.«
Bei der Erwähnung ihres Namens zuckt Hailey zusammen.
»Sie kommt wieder zurück, Caleb. Ganz bestimmt.«
»Jetzt bist du diejenige, die unrealistische Hoffnungen hegt«, sagt er mit einem schiefen Lächeln. »Komm her zu mir.«
Wie geheißen rutscht Hailey nah an ihn heran und lässt ihren Kopf auf seiner Schulter ruhen.
»Ich werde dir helfen. Gemeinsam werden wir dafür sorgen, dass die Regierung nie wieder jemanden verletzen kann.«
Das Bild ihrer Mutter taucht vor ihrem Auge auf. Eine Mutter, die vom System gebeugt wurde und deshalb ihre Tochter niemals lieben konnte. "Und dass die Menschen frei entscheiden können, wer sie werden wollen."
Calebs Arm legt sich um sie.
»Danke, Hailey. Das bedeutet mir wirklich sehr viel.«
Schweigend liegen sie eine Weile so da, bis Hailey eine Frage einfällt. Diese ist so merkwürdig und banal, dass Hailey sich wundert, wieso sie nicht schon früher darüber nachgedacht hat. Erst jetzt, während sie in Calebs Armen liegt und die wandernden Schatten beobachtet, regen sich Zweifel in ihr.
»Caleb?«
»Ja?«, murmelt er halb schlafend.
»Wieso Träume?«
An seinem sich versteifenden Körper merkt sie, dass ihm die Frage unangenehm ist.
»Verstehst du das wirklich nicht?«
Hailey denkt kurz nach und schüttelt dann entschieden den Kopf.
»Stimmt, wie sollst du auch ... Die Regierung hat sicherlich jedes Material zu Träumen vernichtet. Darf ich dir eine Geschichte erzählen?«
Erwartungsvoll blickt Hailey zu ihm auf.
»Damals, als die Menschheit noch keine Elektrizität kannte, waren Träume sehr wichtig.«
»In der Antike?«, fragt Hailey nach, um zu zeigen, dass sie doch ein wenig gelernt hat.
»Genau«, bestätigt Caleb und küsst ihre Stirn. »In der Antike glaubten die Menschen, dass Träume die Verbindung zu ihren Göttern wären. Träume enthielten göttliche Botschaften und Zukunftsweisungen.«
»Die Menschen konnten wirklich mit Hilfe ihrer Träume in die Zukunft sehen?«
Haileys Augen weiten sich ungläubig.
»So sagt man. Viele Menschen verschrieben sich der Traumdeutung. Es gab gewisse Symbole, die eine bestimmte Bedeutung hatten.« Caleb schmunzelt. »Wusstest du zum Beispiel, dass ein Maikäfer Probleme bedeutet, wenn du ihn siehst? Natürlich nur im Traum. Fängst du ihn, bedeutet es, dass du eine Schwierigkeit mit Erfolg meistern wirst. Entwischt er dir, hast du ein wirkliches Problem.«
»Maikäfer?«, fragt Hailey skeptisch nach und runzelt die Stirn. Sie kann nicht verstehen, wie ein kleines Tier in einem Traum so viel bedeuten kann.«
»Maikäfer«, bestätigt Caleb. »Zumindest berichtete mir das der Bibliothekar von dem ich dir bereits
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