Traumlos, Band 1: Im Land der verlorenen Seelen (German Edition)
gerannt sein.
Schweißperlen funkeln auf seiner Stirn wie kleine Diamanten und sein Haar klebt in feuchten Strähnen an seinem Kopf.
Erschöpft stolpert er in die Mitte des Raumes und lässt sich neben Caleb nieder. Dieser reicht ihm eine der Wasserflaschen, die Macy ihnen mitgebracht hat. Gierig stürzt Jules die Flüssigkeit herunter.
»Danke«, stöhnt er und atmet tief durch.
»Und?«, wiederholt Hailey.
»Ihr hattet Recht.«
Verwirrt sieht Hailey ihn an. Obwohl sie auf diese Antwort gehofft hatte und obwohl sie sich sicher war, dass diese Antwort kommen wird, ist sie doch überrascht. Denn sie beweist gleichzeitig, dass Caleb über ihren Vater die Wahrheit gesagt hat.
»Der Traumstoff ist ein Gift. Die Seelenfresser eine Lüge. Es ist alles wahr.«
An seinem Blick erkennt Hailey, dass ihm diese Erkenntnis schwer zu schaffen macht. Seine sonst so lebendigen grauen Augen wirken stumpf und verzweifelt.
Auch Macy bemerkt seine Veränderung und legt besorgt einen Arm um seine Schulter. Vorsichtig beugt sie sich zu ihm und flüstert ihm etwas ins Ohr. Jules schüttelt den Kopf und schlingt die Arme fest um seinen Körper.
»Das ist ja super!«, ruft Caleb triumphierend und kassiert dafür von Hailey einen mahnenden Blick. Jules Zustand macht ihr Sorgen und langsam fragt sie sich, ob es die richtige Wahl war, ihn einzuweihen.
Der sonst so von sich selbst überzeugte und stolze Sportler liegt wie ein Häufchen Elend in den Armen seiner Freundin, welche laut dem Schul-Codex der Coolen nicht einmal ein Hallo wert ist.
Alles, was Hailey bisher geglaubt hat, ist plötzlich anders.
Ihr Vater ist kein Feigling, der sie einfach verlassen hat.
Ihre Mutter ist nicht nur karrierefixiert, sondern hatte vor allem Angst um ihre Tochter, da ihr niemand sonst geblieben ist.
Die Seelenfresser existieren nicht wirklich.
Jules liebt Macy.
Und sie selbst kann Liebe empfinden. Nicht nur ein warmes Prickeln oder eine aufregende Jugendschwärmerei – sondern tiefe echte Liebe. Ein Gefühl, welches sie bisher immer für unmöglich hielt.
Obwohl ihre Welt in Trümmern liegt, fühlt Hailey sich gut. Es scheint, als würde alles Schlechte vergehen und nur Gutes zurücklassen. Als wäre ihr Leben bisher unter einer dicken Schmutzschicht verborgen gewesen, die nun langsam abbröckelt und etwas Echtes zum Vorschein bringt.
Sie weiß, dass sie kämpfen muss, um auch die letzten hartnäckigen Brocken abzukratzen, aber dafür ist sie bereit. Ihr Vater hat diesen Weg für sie vorbestimmt und sie möchte ihn gehen, um ihm zu zeigen, dass sein Tod nicht umsonst war. Um Caleb zu beweisen, dass sie wirklich etwas Besonderes ist.
Sie möchte sich als würdig erweisen.
»Wie gehen wir weiter vor?«, unterbricht Macy ihre Gedanken. Sie sieht Caleb an, dennoch ergreift Hailey das Wort:
»Ich werde meine Mutter bitten, uns zu helfen.«
Macys Kinnlade klappt nach unten.
»Deine Mutter?«, vergewissert sie sich. »Du meinst wirklich, dass sie uns helfen wird?«
In ihren blauen Augen spiegelt sich Zweifel.
»Ja«, entgegnet Hailey fest und verblüfft Macy damit noch mehr. Diese drückt Jules fester an sich.
»Wieso?«
Hailey holt tief Luft und wirft Caleb einen fragenden Blick zu. Er setzt sich auf und nickt. Die Schwellung an seinem Auge ist deutlich zurückgegangen und leuchtet nur noch blass lila. Sein aufgerissenes Shirt erinnert sie daran, wie sehr sie sich nach einer Dusche und frischen Klamotten sehnt.
»Erstens möchte ich mir frische Kleider holen«, sie gerät ins Stocken. Will sie dieses große Geheimnis wirklich mit ihr teilen? Immerhin ist es das Einzige, was nur sie von ihrem Vater weiß. Irgendetwas in ihr hält sie davon ab, die Wahrheit zu sagen.
So sehr sie Macy auch vertraut und sie liebt: Sie ist noch nicht bereit dafür. »Und zweitens fühle ich einfach, dass sie mir helfen wird.«
Mehr sagt sie nicht. Caleb lässt sich seine Verwunderung nicht anmerken.
»Aha«, antwortet Macy gedehnt.
»Aha?«, fragt Hailey nach.
»Ehrlich gesagt, glaube ich dir nicht. Deine Mutter stand immer auf der Seite der Regierung. Sie hat alles getan, was sie wollten. Sie hat sich nicht einmal gewehrt, als sie dich mitnahmen. Und jetzt soll sie uns plötzlich helfen?«
Skeptisch zieht Macy die Augenbrauen nach oben. Die beiden Jungen wenden sich betreten ab. Sie wissen genau, was jetzt folgen wird. Eine greifbare Spannung liegt in der Luft. Hailey forscht in Macys Gesicht nach der richtigen Antwort, die sie geben kann, um einem
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