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Traumlos, Band 1: Im Land der verlorenen Seelen (German Edition)

Traumlos, Band 1: Im Land der verlorenen Seelen (German Edition)

Titel: Traumlos, Band 1: Im Land der verlorenen Seelen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Jäger
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Antwort Hailey den plötzlichen Sinneswandel nicht nachvollziehen kann. Vor wenigen Minuten hatte sie ihn noch blauäugig hingenommen, da er ihrem größten Traum entsprach. Nun fürchtet sie sich, dass jemand genau diese Schwäche ausnutzt, um sie in eine Falle zu locken. Der Regierung traut sie alles zu.
    Forschend studiert sie das vertraute Gesicht ihrer Mutter.
    »Ich helfe dir jetzt, weil ich es damals nicht konnte!«, flüstert Eleonore verzweifelt. »Bitte komm jetzt.«
    Unbeeindruckt schüttelt Hailey den Kopf. Die erste Verwunderung ist verflogen und plötzlich sieht sie alles mit anderen Augen. Irgendetwas an dem Verhalten ihrer Mutter wirkt unecht und falsch.
    Die Dunkelheit rückt bedrohlich näher.
    »Sag mir die Wahrheit«, fordert Hailey ruhig.
    »Genau das tue ich die ganze Zeit!«
    Eleonore kommt auf Hailey zu und greift nach ihrem Handgelenk.
    »Bitte, komm jetzt mit mir.«
    Die warmen Finger auf ihrer Haut brechen Haileys Widerstand. Wortlos lässt sie sich mitziehen und sinkt schließlich auf den Autositz. Ein frischer Duft umweht ihre Nase. Eleonore startet den Wagen und die Scheinwerfer blitzen auf. In ihrem Licht erkennt Hailey den kleinen lilafarbenen Duftbaum, der am Rückspiegel baumelt und Lavendelaroma verströmt.
    Ihre Mutter legt den Rückwärtsgang ein und fährt los. Besorgt wirft sie Hailey einen Seitenblick zu.
    »Ich habe wirklich die Wahrheit gesagt.«
    »Mmh«, bringt Hailey hervor und sieht mit verschränkten Armen aus dem Fenster. Die parkenden Autos rasen in dunklen Silhouetten an ihr vorbei. Sie weiß nicht so recht, was sie sagen soll. Einerseits möchte sie ihrer Mutter gerne glauben, andererseits hat sie Angst davor, wieder verletzt zu werden. Caleb hat sie davor gewarnt, zu leichtgläubig zu sein.
    »Ich muss die anderen noch benachrichtigen!«
    Vor Schreck tritt Eleonore auf die Bremse und kassiert dafür ein empörtes Hupen des Autos hinter ihr.
    »Erschreck mich doch nicht so!«
    Ruckelnd setzt sich der Wagen wieder in Bewegung und hält schließlich vor einer roten Ampel.
    »Ich kann doch nicht einfach so weglaufen und meine Freunde unwissend zurücklassen!«
    Hailey kämpft mit ihrem schlechten Gewissen. Obwohl sie ihre Freunde nur für wenige Minuten vergessen hat, kommt sie sich wie eine Verräterin vor.
    »Du kannst von dort telefonieren.«
    »Sicher?«
    Eleonores Nicken sorgt dafür, dass Hailey sich ein wenig entspannt. Sie lässt die Arme sinken und legt den Kopf zurück.
    »Und danach erzählst du mir, was mit deinem Vater geschehen ist.«
    Hailey kann ihre Überraschung nicht verbergen.
    »Gerade wolltest du es noch nicht hören.«
    »Ich habe es mir anders überlegt.«
    Mehr sagt sie nicht, sondern hält ihren Blick starr auf den Verkehr gerichtet. Ein gelber Kleinwagen hält abrupt inne und Eleonore tritt fluchend auf die Bremse.
    »Idiot!«
    Der Fahrer vor ihr möchte offenbar die Spur wechseln, aber auf der rechten Seite lässt ihn niemand hinein. Hinter Eleonore ertönt eine Hupe.
    »Ich kann auch nichts dafür!«, keift sie und Hailey ist über die Unbeherrschtheit ihrer Mutter sehr verwundert. Solch einen emotionsgeladenen Fahrstil hätte sie ihr nicht zugetraut. Als sich endlich ein älterer Mann in einem weißen PKW erbarmt und den Spurenwechsler einfädeln lässt, tritt Eleonore das Gaspedal so fest durch, dass der Motor empört aufbrummt. Unwillkürlich greift Hailey nach dem Griff über ihrem Fenster und hält sich fest.
    »Tut mir leid«, murmelt Eleonore. »Ich mag es einfach nicht, wenn manche Menschen sich aufführen, als säßen sie zum ersten Mal hinter dem Steuer.«
    Hailey antwortet nicht. In ihrem Kopf herrscht ein Durcheinander an Schuldgefühlen, Angst und Sehnsucht. Fast wünscht sie sich, dass sie wieder mit Caleb in der Klinik beim Mittagessen sitzen könnte. Solange er bei ihr war, schien alles gut, selbst in der Klinik.
    Mit einem unterdrückten Seufzen stützt Hailey den Ellbogen gegen den Fensterrahmen und legt ihren Kopf auf ihrer Hand ab. Die Stadt zieht rasend schnell vor dem Fenster vorbei. Eine Zeit lang versucht Hailey, Einzelheiten zu fixieren und so zu erkennen, doch zu schnell sind Gebäude, Fahrzeuge und Menschen wieder in einem bunten Farbenstrudel verschwunden. Enttäuscht wendet sie den Blick auf ihre Hände. Der Schmutz der letzten Tage ist deutlich zu sehen.
    »Kann ich dort auch duschen?«, fragt Hailey widerstrebend. In dem sauberen Auto ihrer Mutter kommt sie sich noch heruntergekommener vor als in Macys Nähe.

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